Bank muss Kontoauszüge dem Finanzamt nicht vorlegen
Das Finanzamt darf im Besteuerungsverfahren erst dann die Vorlage von Kontoauszügen verlangen, wenn die Bank eine zuvor geforderte Auskunft über das Konto nicht erteilt hat.
Der Fall aus der Praxis
Ein Finanzamt hatte von einer Steuerpflichtigen die Vorlage von Kontoauszügen verlangt, um das Vorhandensein regelmäßiger Abhebungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts überprüfen zu können. Da die Bankkundin die Unterlagen vernichtet hatte, verlangte das Finanzamt die Vorlage der Kontoauszüge von der Bank. Weil nach § 107 der Abgabenordnung (AO) eine Entschädigung nur für Auskunftspflichtige vorgesehen ist, wandte die Bank aber ein, das Finanzamt müsse zunächst ein Auskunftsersuchen stellen. Die Finanzbehörde war damit nicht einverstanden und zog vor Gericht.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Nach Auffassung der Finanzrichter verstößt das Vorlageverlangen gegen § 97 AO. Danach soll die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden in der Regel erst dann verlangt werden, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen. Die Norm diene der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 93 AO regelmäßig die weniger in die Persönlichkeitssphäre eingreifende Maßnahme als die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden sei. Ein Abweichen von der in § 97 AO vorgegebenen Rangfolge komme deshalb nur in atypischen Fällen in Betracht, in denen das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstückes beweisbar oder eine Auskunft zur Wahrheitsfindung untauglich sei. Der Streitfall sei nicht als atypischer Fall zu qualifizieren. Der aufzuklärende Sachverhalt sei nicht so gelagert, dass es um die Sichtung solcher steuererheblicher Kontenbewegungen gegangen wäre, die nicht durch eine Auskunft klärbar gewesen wären. Vielmehr wäre es dem Finanzamt möglich gewesen, die Steuerpflichtige im Wege eines Auskunftsverlangens dazu aufzufordern, zur Frage regelmäßiger Abhebungen Stellung zu nehmen. Es wäre ihr unter Heranziehung ihrer Kontounterlagen möglich gewesen, diese Fragen zu beantworten (BFH, Urteil vom 24.02.2010, Az.: II R 57/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Grundsätzlich ist ein Kreditinstitut zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet. Das oft zitierte „Bankgeheimnis“ findet jedoch im deutschen Recht keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr fußt es auf Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und stellt damit Vertragsrecht dar. Informationen über Kunden können deshalb nur dann weitergegeben werden, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat.
Anspruch auf Vorlage erst nach gescheiterter Auskunft
Eine gesetzliche Befugnis zur Einsichtnahme in Kontoauszüge findet sich in § 97 AO. Danach kann die Finanzbehörde von den Beteiligten eines Besteuerungsverfahrens die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen. Erforderlich ist aber, dass die Finanzbehörde mitteilt, ob die Urkunden für die Besteuerung des zur Vorlage Aufgeforderten oder für die Besteuerung anderer Personen benötigt werden. Die Vorlage ist verhältnismäßig, wenn der eigentlich Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen.
Vorsicht
Die genannten Einschränkungen kommen nicht zur Anwendung, wenn eine steuerliche Vergünstigung geltend gemacht wurde, oder wenn die Finanzbehörde eine Außenprüfung nicht durchführen will oder wegen der erheblichen steuerlichen Auswirkungen eine baldige Klärung notwendig ist.
Das Finanzamt ist verpflichtet, Auskünfte zunächst vom Steuerpflichtigen selbst zu erlangen. Ist das nicht möglich, kann sich die Behörde an die Bank wenden. Erst wenn auch dieses Ansinnen nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann zu einem Vorlageverlangen übergegangen werden.
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