Erfolgreich den Feierabend einläuten
„Schlafen kann ich, wenn ich tot bin!“
Diesen Spruch haben Sie bestimmt schon mal gehört. Vielleicht haben Sie ihn sogar selbst schon benutzt oder nutzen ihn auch noch. Gesagt haben soll das der Autor, Regisseur und Schauspieler Rainer Werner Fassbinder, der vor allem eines war: arbeitswütig. Was er in diesen Momenten sicher nicht ahnte war, dass er mit 37 Jahren seinen Dauerschlaf antreten würde – Herzstillstand.
© Sabine Dinkel
Viel zu viele Arbeitnehmer setzen sich permanent über ihr Ruhe- und Schlafbedürfnis hinweg. Gar nicht mal nur, um lange zu arbeiten, sondern um sich mit nur bedingt befriedigenden Tätigkeiten zu zerstreuen.
Runterkommen? Fehlanzeige!
Statt rechtzeitig ins Bett zu gehen, puzzeln sie noch ewig in der Wohnung rum, hängen stundenlang vorm Fernseher ab oder surfen verdrossen im Internet. Und obwohl sie müde sind und wissen, dass sie am nächsten Tag wieder mit einem Schlafdefizit aufwachen, schaffen sie den Absprung nicht, um genüsslich ins Bett zu kriechen.
„Frei von“ statt „mit Muße“
Viele kompensieren ihren Lebensstil unter anderem mit „frei von“-Essen (glutenfrei, kohlehydratfrei, fettfrei etc.), um sich besser zu fühlen. Sie suchen „Entschleunigung“ in der Freizeit, buchen wertvolle Kurse, um gelassener mit all dem Stress umzugehen und sporteln beflissen vor sich hin. Dabei leiden viele in erster Linie unter Ruhe- und Schlafmangel.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es ist überhaupt nichts gegen hochwertige biologische Lebensmittel, Sport oder Entspannungskurse einzuwenden. Das sind ganz wichtige Bausteine für ein fideles Leben. Doch oftmals liegt der Hase woanders im Pfeffer.
Durcheinanderwirbeln unserer inneren Taktung
Chronischer Schlafmangel und das Durcheinanderwirbeln unserer inneren Taktung (zum Beispiel durch zu trübes Licht am Tag und zu grelles Licht am Abend und in der Nacht) soll zu den größten gesundheitlichen Risiken unserer Zeit gehören, weil toxischer Stress entsteht.
Wir erwarten von uns volle Power, wenn unser Körper eigentlich ruhen will und fahren runter, wenn wir eigentlich besonders strapazierbar wären. Die Verdauungsorgane werden zur falschen Zeit mit Nahrung belastet und können sich nicht mehr regenerieren. Oftmals laufen wir dermaßen hochtourig durch den Tag, dass wir uns am Abend nicht mehr runterdrosseln können.
Feierabend-Rituale und „Ich-Zeit“ schaffen
Schaffen wir uns doch ein Feierabend-Ritual, das uns hilft, uns langsam runterzufahren. Zum Beispiel ist es hilfreich, wenn man sich nach dem Nachhausekommen erst einmal eine kurze „Ich-Zeit“ gönnt und sich nicht gleich auf den Haushalt, den Briefkasten oder die Raubtierfütterung stürzt.
Einige Beispiele für kleine Ich-Zeiten und Rituale stelle ich Ihnen jetzt vor:
Achtsam die Hände waschen
© Sabine Dinkel
Nach dem Nachhausekommen Sack und Pack abstellen, ohne es gleich richtig wegzuräumen. Ab ins Bad, sich genüsslich die Hände mit angenehm warmen Wasser waschen und sie so richtig schön achtsam abseifen. So spülen wir uns, nicht nur symbolisch, den Tag und den womöglich erlebten Stress von den Händen ab. Natürlich kann man auch unter die Dusche hüpfen, aber fürs Erste tut es auch diese kleine Mini-Waschung.
Den Tag abschütteln
Haben Sie schon mal beobachtet, wie sich Hunde schütteln, wenn Sie nass sind? Da geht ein Beben durch das Tier, angefangen vom Kopf über den Körper bis in die Schwanzspitze.
© Sabine Dinkel
Schütteln Sie sich den Tag ab:
- Rechtes Bein, rechter Fuß, linkes Bein, linker Fuß.
- Dann die Arme und die Hände, rechts und links.
- Heben Sie die Schultern an und lassen sie wieder fallen.
- Schütteln Sie den Kopf so, dass die Wangen schlackern. Wem das zu heftig ist, der kann auch sachte mit dem Kopf nicken, nach vorne und hinten, nach links und rechts.
- Wackeln sie mit dem Hintern, tanzen Sie Twist.
- Wiegen Sie abschließend sachte den Oberkörper hin und her, wie ein Baum im Wind.
- Atmen Sie tief ein und mit einem Seufzer langsam und tief wieder aus.
Die negative Energie des zurückliegenden Tages ist erstmal abgeschüttelt und Sie dürften sich wohler fühlen.
Kleidung wechseln
Dann, sofern Sie nicht mehr aus dem Haus möchten, etwas richtig Gemütliches und Freizeitmäßiges anziehen. So signalisieren Sie Ihrem Körper: Es ist Zeit, in einen anderen Modus zu wechseln. Den Freizeitmodus.
Eincremend entreizen
Ab aufs Sofa, in den Lieblingssessel oder an einen anderen wirklich gemütlichen Platz. Und dann fünf Minuten die Hände mit einer schönen Handcreme eincremen und durchkneten, Finger für Finger. Durch das intensive Kneten können Sie sich dabei helfen, zu „entreizen“ und wieder ins Hier und Jetzt zu kommen. Dabei können Sie ein schönes Musikstück hören, vielleicht trinken Sie noch einen beruhigenden Tee dazu oder essen gegen den ersten Hunger einen kleinen Snack (Nüsse, Obst, Gemüsestick).
Und erst dann sollten Sie herumräumen, private Dinge oder den Haushalt angehen.
Kinder und Haustiere mit einbinden
Wenn Sie Kinder oder Haustiere haben, die bei der Heimkunft ihr Recht fordern (Essen zubereiten, Spielen), tun Sie gut daran, sich trotzdem Ihren kleinen Zeitpuffer zu genehmigen. Denn nur, wenn Sie gut zu sich sind, können Sie sich wieder mit voller Aufmerksamkeit den anderen zuwenden.
Sie können zum Beispiel versuchen, Ihre Kinder in das Nachhausekomm-Ritual mit einzubinden. So lernen diese ganz schnell, dass es gut ist, zwischen Arbeit und Feierabend noch einen „Separator“ zu setzen und übernehmen dieses Ritual vielleicht später sogar selber für sich.
Beispiel
Wenn ich nach Hause komme, wollen meine Hunde unbedingt etwas fressen. Inzwischen habe ich ihnen beigebracht, dass es zuerst eine Runde aufs Sofa geht zum Schmusen. So kraule ich mir die Spannungen ab – und die Hunde freuen sich über die Fellmassage. Und erst danach gibt es Fressen. Mein Eincreme-Ritual mache ich dann, wenn die Hunde schmatzen. Das Ganze dauert meistens nur 15 Minuten – die sind jedoch so erquicklich, dass ich anschließend wieder einen kleinen Energieschub habe.
Überblick auf den nächsten Tag verschaffen
Verschaffen Sie sich einen kurzen Überblick darüber, was am nächsten Tag anliegt. Vielleicht ist noch etwas einzupacken, das Sie am nächsten Tag brauchen oder eine Rückversicherung einzuholen, dass ein geplanter Termin auch wirklich stattfindet. Danach können Sie auch gedanklich loslassen.
Online-Zeit begrenzen
Damit Sie nicht irgendwann vor dem Internet versacken, stellen Sie sich doch mal eine analoge Eieruhr.
© Sabine Dinkel
Das Ticken gibt Ihnen einen Zeitrahmen vor, in dem Sie nach Herzenslust herumsurfen können. Ohne schlechtes Gewissen. Das können mal 30 oder 60 Minuten sein, je nachdem, was Sie sonst noch so für den Abend geplant haben.
Das richtige Licht nutzen
Kaltes Licht am Abend kann massiv den inneren Rhythmus stören. Damit Sie Ihren Organismus am Abend nicht durch ungünstiges Licht stören, können Sie sich Ihren Rechner mit einem Programm ausrüsten, das den Monitor nach einer gewünschten Uhrzeit von kalttonig auf warmtonig umstellt. Das passiert ganz automatisch. So können Sie ihn auch noch zu späterer Uhrzeit nutzen ohne Ihre innere Uhr zu verwirren.
Nutzen Sie abends überall warmtoniges Licht in Form von 25-Watt-Glühlampen und Kerzen. Das fördert die Ausschüttung von Botenstoffen (z. B. Melantonin), die für einen guten Schlaf sorgen.
Kleine Absacker praktizieren
Weitere kleine Abendrituale, die auf einen erholsamen Schlaf einstimmen, sind:
- einen kleinen Spaziergang um den Block machen
- drei Dinge aufschreiben, die heute positiv waren
- eine kurze Entspannungsübung praktizieren
- im Schlafzimmer optische Ruhe schaffen (etwas aufräumen oder wegpacken)
- die Kaffeemaschine für den nächsten Tag vorbereiten
- sich die Füße massieren
- einige Seiten in einem schönen Buch lesen
Den Bann der Medien unterbrechen
Wenn Sie dazu tendieren, vor dem Laptop zu versacken, hilft es, in einer entschlossenen Sekunde einfach beherzt den Bildschirm runterzuklappen. Sie werden staunen: der Bann ist gebrochen und Sie haben die Chance, jetzt auch den Absprung ins Bett zu schaffen. Wozu hat man denn schließlich Klapprechner? Sie arbeiten mit externem Monitor? Noch besser, einfach den Ausknopf drücken.
Ist es die Fernbedienung? Drücken Sie ganz schnell den Ausknopf. Auch hier dürfte der Bann mit dem Ausschalten gebrochen sein.
Es klingt wirklich banal, doch es ist höchst wirksam.
Sie können auch im Vorwege den Fernseher programmieren, sich zu einer bestimmten Zeit automatisch abzuschalten. Mit den meisten Geräten geht das. Notfalls eine Zeitschaltuhr dazwischenschalten.
Bettfein machen
Sobald Sie wissen, dass Sie an dem Abend nichts mehr essen, putzen Sie sich doch schon mal die Zähne und machen sich bettfein.
© Sabine Dinkel
Vielleicht setzen Sie sich auch schon um 22.00 Uhr ins Bett, um dort noch in Ruhe ein paar Seiten zu lesen oder einen Film auf DVD zu gucken. Da Sie ja schon bettfertig sind, können Sie auch getrost dabei einschlafen.
***
Ich weiß, dass das alles nicht immer so bilderbuchmäßig funktioniert. Manchmal sind auch die Rahmenbedingungen ungünstig oder wir haben einfach keine Nerven, achtsam zu sein (obwohl genau das jetzt sehr wertvoll für uns wäre).
Doch je mehr wir üben, uns einen kleinen Puffer zum Innehalten zu verschaffen, desto größer sind die Chancen, besser zur Ruhe zu kommen. Und desto eher können wir unseren Feierabend zu dem machen, für das er gedacht ist: zum Runterkommen, zum Auftanken und zum Regenerieren. Wahrscheinlich neigen wir auch weniger zu absurd langem Aufbleiben trotz Müdigkeit. Und auch weniger zum Griff nach den üblichen gesellschaftlich anerkannten Runterdimmern: Weinglas oder Bierflasche.
Wenn Sie wissen möchten, wie ein heiteres Morgenritual aussehen könnte, schauen Sie mal hier.
Hier finden Sie weitere Beiträge zu unserem diesjährigen Projekt Erfolgsrezepte.
- Kommentieren
- 15521 Aufrufe
Kommentare
Artikel
Warum beginnt der zweiten Absatz mit den Worten: viel zu viele Arbeitnehmer ... Auf Arbeitgeber kann bzw. trifft es genauso zu. Meist kommt neben der vielen Arbeit auch noch der Stress mit MA und den Finanzen hinzu!