BVerfG erklärt Herausgabe von Telekommunikationsdaten für teilweise verfassungswidrig
Bisherige Praxis verstößt gegen Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat aktuell entschieden, dass die bisherige Praxis zur Speicherung und Herausgabe von Nutzerdaten sowie Zugangssicherungscodes an Ermittlungsbehörden gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Die diesbezüglichen Regelungen des Telekommunikationsgesetztes (TKG) sind zumindest teilweise verfassungswidrig.
Gesetzgeber muss bis zum 30.06.2013 tätig werden
Die spezielle Auskunftspflicht nach § 113 Abs. 1 S. 2 TKG gegenüber Ermittlungsbehörden hinsichtlich Sicherungscodes wie Passwörter oder PINs sind nach Auffassung der Karlsruher Richter mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Regelung, die Polizei und Nachrichtendiensten den Zugriff auf persönliche Passwörter und PIN-Codes ermöglicht, um beschlagnahmte Mobiltelefone auszulesen oder gespeicherte Dateien zu durchsuchen, widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Zugriff auf diese Daten sei in dem Umfang, wie ihn das TKG derzeit vorsehe, für eine effektive Augabenwahrnehmung der Behörden nicht erforderlich. Die Vorschrift stelle nicht hinreichend sicher, dass die Sicherheitsbehörden Auskünfte über die geregelten Zugangssicherungscodes nur dann verlangen dürfen, wenn die jeweils maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen – bspw. der Strafprozessordnung - für ihre Nutzung gegeben sind. Unzulässig sei auch die Abfrage von Auskünften über den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse. § 113 TKG dürfe hierfür nicht herangezogen werden. Weil die Provider bei der Identifizierung von Nutzern über die dynamische IP-Adresse die entsprechenden Kundendaten sichten müssten und so Einblick in das individuelle Surfverhalten erlangen könnten, verletze der Vorgang das verfassungsrechtlich geschützte Telekommunikationsgeheimnis. Die Richter haben dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30.06.2013 eingeräumt, um eine verfassungskonforme Neuregelung des § 113 TKG zu schaffen. Bis dahin gelten die Bestimmungen mit Einschränkungen weiter. Im Übrigen hielten sie die Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten nach § 111 TKG sowie ihre in § 112 TKG geregelte Verwendung im automatisierten Auskunftsverfahren für verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 24.02.2012; Az.:1 BvR 1299/05).
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