Landessozialgericht bestätigt: Vatermord ist kein Arbeitsunfall
Sohn ermordet Vater auf dem Weg zum Steuerberater
Das Landessozialgericht (LSG) Stuttgart hat jetzt die Klage einer italienischen Rentnerin gegen die Versagung einer Rente aus der Unfallversicherung ihres vom gemeinsamen Sohn auf der Rückfahrt vom Steuerberater ermordeten Ehemannes abgewiesen. Die Frau betrieb unter ihrem Namen zwei Pizzerien, bei denen der Mann offiziell nur als Koch angestellt war. Der Mann war dazu wegen einer vorangegangenen Insolvenz nicht in der Lage. Anlässlich einer Fahrt zum Steuerberater, auf der der arbeitslose Sohn des Paares den Vater begleitete, brachte dieser das Fahrzeug unter Vortäuschung einer Fahrzeugpanne zum Stehen. Der Sohn lockte den Vater unter einem Vorwand zum Kofferraum, wo er einen zuvor bereitgelegten Hammer ergriff und mindestens achtmal auf den Kopf des Vaters einschlug, um ihn zu töten. Dieser trug schwere Verletzungen davon und versuchte zu fliehen. Der Sohn holte daraufhin einen Benzinkanister, übergoss den Vater damit und zündete ihn an. Das Opfer verstarb. Der Sohn stellte sich und wurde wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Witwe des Getöteten, die bereits Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz bezieht, verlangte auch vom Unfallversicherungsträger eine Witwenrente. Das Geschehen habe sich auf der Rückfahrt vom Steuerberater zugetragen. Die Fahrt unterstehe damit dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz.
LSG verneint betrieblichen Zusammenhang
Das LSG Stuttgart sah dies – ebenso wie die Vorinstanz anders, es handele sich hier nicht um einen Arbeitsunfall. Der Senat habe bereits Zweifel daran, dass der Mann auf dem Rückweg vom Steuerberatungsbüro überhaupt unter Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden ist. Gegen eine Versicherung kraft Gesetzes als Koch bei der Ehefrau sprächen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit folgende Gesichtspunkte. Der Mann hätte das Familienunternehmen selbst betrieben, wenn er nicht auf Grund vorhergehender Insolvenz daran gehindert gewesen wäre. Gemessen an der Arbeitszeit von 54 Stunden wöchentlich für die Tätigkeit als Koch und Bürokraft bei einem Monatslohn von 360 € brutto habe er keinen leistungsgerechten Lohn erhalten. Dies ist bei einem Ehegattenarbeitsverhältnis ein starkes Indiz gegen eine Eingliederung des Ehegatten in den Betrieb, durch welchen eine reguläre Arbeitskraft eingespart wurde. Das Gesamtbild der Tätigkeit entspricht damit eher dem Bild einer selbständigen Tätigkeit und einer Scheinbeschäftigung im eigenen Unternehmen. Es muss für einen Versicherungsschutz jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde. Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Das Sozialgericht habe die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen ein Überfall als Arbeitsunfall anzusehen ist, zutreffend benannt und ausgeführt, dass es hierfür wesentlich auf die Beweggründe des Angreifers bei der Tat ankommt und sich der innere Zusammenhang zwischen dem Überfall als Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit verliert, wenn die Beweggründe des Angreifers dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind. Bereits die Brutalität der Tat und die entsprechenden Gutachten deuten hier auf einen tiefgreifenden und eindeutig dem privaten Bereich zuzuordnenden Vater-Sohn-Konflikt hin. Die wertende Entscheidung, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, fällt eindeutig zu Ungunsten der Klägerin aus. Es lässt sich auch nicht ansatzweise erkennen, dass ein betrieblicher Zusammenhang besteht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.11.2011; Az.: L 2 U 5633/10).
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