Pay-TV: EuGH verbietet territoriale Exklusivitätsvereinbarungen bei Fußball-Übertragungen
Englischer Fußballverband verklagt Gastwirte und Händler von ausländischen Decoderkarten
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern entschieden, dass ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von Fußballspielen, das Rundfunkanstalten eine gebietsabhängige Exklusivität für einzelne Mitgliedstaaten einräumt und den Fernsehzuschauern untersagt, diese Sendungen mittels einer Decoderkarte aus einem anderen Mitgliedstaat anzusehen, gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit sowie das Wettbewerbsrecht verstößt. In den Ausgangsfällen hatten einige Gastwirtschaften in England versucht, die Exklusivität zu umgehen. Sie verwendeten für den Zugang zu den Spielen der Premier League ausländische Decoderkarten, die eine griechische Rundfunkanstalt in Griechenland ansässigen Abonnenten zur Verfügung stellt. Sie kauften die Karten und eine Decoderbox bei einem Händler zu Preisen, die günstiger sind als die von BSkyB, dem Inhaber der Rechte zur Weiterverbreitung im Vereinigten Königreich. Die Football Association Premier League (FAPL) wehrt sich gegen dieses Vorgehen, da das Vorgehen die Exklusivität untergrabe und damit den Wert der Fernsehausstrahlungsrechte mindere. Sie verklagte daher die Gastwirte, aber auch die Händler, die Decoder und Karten verkauften (Rs. C-403/08). Die zweite Rechtssache (C-429/08) geht auf ein Strafverfahren gegen die Inhaberin eines Pubs zurück, in dem Spiele der Premier League unter Verwendung einer griechischen Decoderkarte gezeigt wurden.
Exklusivitätsvereinbarung verstößt gegen Dienstleistungsfreiheit
Der EuGH stellte fest, dass nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen und weder im Hinblick auf das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, noch durch das Ziel, die Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien zu fördern, gerechtfertigt werden können. Die FAPL könne an den Spielen der Premier League kein Urheberrecht geltend machen, da diese Sportereignisse nicht als eigene geistige Schöpfungen eines Urhebers und damit nicht als „Werk“ im Sinne des Urheberrechts der Union anzusehen seien. Das verwendete System exklusiver Lizenzen verstoße außerdem gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Lizenzverträge dürften den Rundfunkanstalten nicht jede grenzüberschreitende Erbringung von Diensten im Zusammenhang mit den betreffenden Sportereignissen untersagen, weil ein solcher Vertrag es erlauben würde, jeder Rundfunkanstalt eine absolute gebietsabhängige Exklusivität einzuräumen. Damit würden jeglicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkanstalten im Bereich dieser Dienste ausgeschaltet und so die nationalen Märkte nach den nationalen Grenzen abgeschottet. Schließlich stellten die Richter im Zusammenhang mit den Vorlagefragen zur Auslegung der europäischen Urheberrechtsrichtlinie fest, dass nur die Auftaktvideosequenz, die Hymne der Premier League, die zuvor aufgezeichneten Filme über die Höhepunkte aktueller Begegnungen der Premier League und einige Grafiken als „Werke“ angesehen werden könnten und damit urheberrechtlich geschützt seien. Die in einer Gastwirtschaft stattfindende Übertragung von Sendungen, die diese geschützten Werke enthalten, stelle eine «öffentliche Wiedergabe» im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie dar, für die die Zustimmung des Urhebers der Werke erforderlich sei (EuGH, Urteil vom 04.10.2011; Az.: C-403/08 und C-429/08).
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