Arbeitnehmeranteil ja, Arbeitgeberanteil nein – GmbH-Geschäftsführer bei bevorstehender Insolvenz
Der BGH hat entschieden, dass ein GmbH-Geschäftsführer nicht nach § 64 Satz 1 GmbHG haften muss, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuern an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle zahlt. Dies gelte aber nicht für Arbeitgeberanteile.
Im Ausgangsfall ging es um eine Klage des Insolvenzverwalters. Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter verlangt von dem Geschäftsführer zwei Zahlungen (laufende Zahlungen und Rückstände) ersetzt, die dieser im Oktober 2005 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens an das Finanzamt und die AOK geleistet hatte. Der Verwalter behauptete, die GmbH sei zum Zeitpunkt der Zahlungen bereits überschuldet gewesen. Das Landgericht hat die Klage bezüglich der beiden Zahlungen abgewiesen, ebenso das OLG.
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies an die letzte Instanz zur Sachverhaltsaufklärung zurück. Führe der Geschäftsführer - auch nach Eintritt der Insolvenzreife - fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen sowie Lohnsteuer nicht an das Finanzamt ab, begehe er eine mit einer Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit und setzt sich außerdem der persönlichen Haftung laut Abgabenordnung (AO) aus. Wird eine GmbH zahlungsunfähig müssen die Geschäftsführer spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Der Geschäftsführer ist der Gesellschaft dabei zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistet werden. Eine Ausnahme besteht laut Gesetz nur für solche Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.
Die diesbezüglich entstandene Pflichtenkollision habe den BGH dazu bewogen, die Zahlung von Umsatz- oder Lohnsteuer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar anzusehen. Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf laufende, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällig werdende Steuerforderungen, sondern auch auf Steuerrückstände. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats handele ein Geschäftsführer auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zahlt. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei den Steuerforderungen. Anders sei dies jedoch bezüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Hier ist nur das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen unter Strafe gestellt und begründet eine Schadensersatzpflicht. Diesbezüglich fehle es am Interessenkonflikt und damit an einem Grund, den Anwendungsbereich des Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG einzuschränken (BGH, Urteil vom 25.01.2011; Az.: II ZR 196/09).
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