Nichtannahme einer Patientin – Arzt muss 3.000 € Bußgeld zahlen
Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat jetzt einem Allgemeinmediziner mit Kassenzulassung wegen Nichtannahme einer Patientin eine Geldbuße von 3.000 € auferlegt und ihm wegen Verstoßes gegen seine Berufspflichten einen Verweis erteilt. Im Ausgangsfall war der Arzt zum Wochenendnotdienst eingeteilt worden. Er erhielt zwischen 21 Uhr und 22 Uhr einen Anruf, wonach es einer älteren Dame sehr schlecht gehe. Der Arzt bestellte die Frau für 23 Uhr in seine Praxis. Die Nichte der alleinlebenden Frau, die an Diabetes mellitus litt, fuhr die Patientin zur Arztpraxis, die sie zwischen 23 Uhr und 23.10 Uhr erreichten. Trotz mehrfachen Läutens an allen Klingeln, die sich im Eingangsbereich des Hauses befanden, wurde ihnen die Tür nicht geöffnet. Da sich der Zustand der alten Dame zunehmend verschlechterte, fuhren die Verwandten sie ins nächstgelegene Krankenhaus. Dort fiel einem Arzt der schlechte Gesundheitszustand der Frau auf, ihre Behandlung wurde vorgezogen und ein schwerer Herzinfarkt festgestellt, an dem sie in der Nacht noch verstarb. Nach Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung leitete die Landeärztekammer Hessen ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen Berufspflichten ein, das dann zur Anschuldigung beim VG führte. Im gesamten Verfahren bestritt der Arzt, ein Klingeln an seiner Praxistür wahrgenommen zu haben. Nach umfangreicher Beweisaufnahme gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass die Kranke mit ihren Angehörigen tatsächlich vergeblich an der Eingangstür zur Praxis geläutet bzw. gewartet hatte.
Das Gericht verurteilte den Arzt wegen Verstoßes gegen seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (§ 22 Hessisches Heilberufsgesetz). Ein Arzt, der zum Notdienst eingeteilt ist, habe grundsätzlich alle Personen in ärztliche Obhut zu nehmen, die um ärztliche Hilfe nachsuchen. Der Arzt muss auch tatsächlich und nicht nur telefonisch erreichbar sein. Eine Fallgestaltung, nach welcher das Ansinnen um ärztlichen Beistand erkennbar überflüssig, unsinnig oder aus sonstigen Gründen für den Arzt nicht zumutbar wäre, habe hier ersichtlich nicht vorgelegen. Allerdings beinhalte die Verpflichtung zur Leistung ärztlicher Fürsorge im Notdienst nicht, dass der Arzt auch tatsächlich eine Heilbehandlung durchführe. Er sei nur verpflichtet, sein ärztliches Wissen und Können zur Prüfung des ihm vorgetragenen oder vor Augen geführten Leidens dergestalt einzusetzen, dass er entscheide, ob Behandlungsbedürftigkeit vorliege und - ggf. wie und vom wem die Behandlung durchgeführt werde (VG Gießen, Urteil vom 20.10.2010; Az.: 21 K 3235/09. GI.B).
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