Streitfall elektronische Zeiterfassung: „Nichtausstempeln“ gilt nicht immer als Arbeitszeitbetrug
Zeiterfassung missachtet: Nicht jeder „Arbeitszeitbetrug“ rechtfertigt eine verhaltensbedingte Kündigung
Der Kläger ist Fertigungsleiter in einem Produktionsbetrieb, indem die Zeiterfassung elektronisch erfolgt. Im November 2011 sprach der Arbeitgeber dem Kläger gegenüber eine verhaltensbedingte Kündigung aus. Als Kündigungsgrund gab er Arbeitszeitbetrug an. Der Fertigungsleiter habe sich an vier Tagen im August 2011 während der Arbeitszeit vom Betriebsgelände entfernt, ohne vorher die elektronische Zeiterfassung betätigt zu haben. Dadurch habe er insgesamt eine Stunde gefehlt, wodurch dem Betrieb ein rechnerischer Schaden von knapp zehn € entstanden sei. Der Fertigungsleiter erhob Kündigungsschutzklage.
Mit Erfolg. Nicht jede Missachtung der elektronischen Zeiterfassung rechtfertige eine verhaltensbedingte Kündigung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer - wie im Streitfall - arbeitsvertraglich zur Ableistung von zehn unbezahlten Überstunden im Monat verpflichtet sei und dieses Kontingent nicht ausgeschöpft werde. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Kündigung insgesamt sechs Stunden und 17 Minuten über dem arbeitstäglichen Soll von acht Stunden tätig gewesen. Ein Schaden beim Arbeitgeber liege nicht vor, weil der Kläger jedenfalls bis zu zehn Überstunden ohne weitere Vergütung hätte leisten müssen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre deshalb eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.06.2012, Az.: 15 Sa 407/12).
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