Chefarzt verschweigt Vorstrafe wegen fahrlässiger Tötung – Fristlose Kündigung bestätigt
Chefarzt verschweigt Vorstrafe bei Einstellung und erhält fristlose Kündigung
Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat laut gestriger Pressemitteilung entschieden, dass ein Chefarzt fristlos gekündigt werden kann, wenn sich herausstellt, dass die bei seiner Einstellung abgegebene Erklärung zu fehlenden Vorstrafen und laufenden Ermittlungsverfahren falsch war. Der 52-jährige Kläger des Rechtsstreits ist habilitierter Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er wurde zum 1. November 2009 mit einem garantierten Jahreseinkommen von 220.000 € brutto als Chefarzt zur Leitung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe in einer Klinik im Raum Darmstadt eingestellt. Vor der Einstellung unterzeichnete der Kläger eine Erklärung, laut der er nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarisch belangt worden sei und auch kein (weiteres) Strafverfahren, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder Disziplinarverfahren anhängig sei. Gegen ihn war jedoch schon 2002, als er in einer Klinik in Niedersachsen tätig war, eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung eines Neugeborenen erstattet worden. Auf die Strafanzeige wurde im Oktober 2006 Anklage erhoben. Das Amtsgericht setzte das Strafverfahren wegen des parallel betriebenen Schmerzensgeldprozesses aus. Nachdem der Kläger von den Zivilgerichten zu 15.000 € Schmerzensgeld verurteilt worden war, nahm das Amtsgericht das Strafverfahren wieder auf und verurteilte den Kläger im August 2010 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 13.500 €. Die Arbeitgeberin des Klägers erfuhr davon Ende August 2010 aus der Presse und suspendierte den Kläger mit sofortiger Wirkung vom Dienst. Anfang September 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Das Arbeitsgericht hatte der Kündigungsschutzklage des Chefarztes stattgegeben.
Vertrauensverhältnis kann wegen Strafverfahren zur fahrlässigen Tötung nicht wieder hergestellt werden
Die Berufung der Arbeitgeberin war erfolgreich, das LAG bestätigte die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Der Kläger habe es trotz ausdrücklicher und eindeutiger Verpflichtung unterlassen, die Arbeitgeberin über das gegen ihn anhängige Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung in Kenntnis zu setzen. Der Kläger habe erkennen müssen, welch hohen Stellenwert die Arbeitgeberin dem guten Leumund ihrer Beschäftigten - zumal in leitender Stellung - beimisst. Den Einwendungen des Klägers, es habe sich um eine "alte Angelegenheit" gehandelt, konnte das Hessische Landesarbeitsgericht nicht folgen. Die Position eines Chefarztes habe eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung und den Ruf der Kliniken. Deshalb habe die Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse daran, sich sofort von einem Mitarbeiter in dieser Position zu trennen, wenn sich herausstellt, dass dieser nicht nur wegen eines in ähnlicher Funktion begangenen Tötungsdelikts verurteilt wurde, sondern es trotz ausdrücklich übernommener Verpflichtung unterlassen hat, ihr von dem Strafverfahren Mitteilung zu machen. Dass das dadurch zerstörte und für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauensverhältnis wieder hergestellt werden könne, sei nicht zu erwarten (Hessisches LAG, Urteil vom 05.12.2011; Az.: 7 Sa 524/11).
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