Druckkündigung gescheitert, aber Auflösungsantrag wegen Anzeige gegen Arbeitgeber erfolgreich
Druckkündigung aufgrund der Drohung von Arbeitskollegen mit eigener Kündigung
Bevor ein Arbeitgeber einen Beschäftigten im Wege der sogenannten Druckkündigung (hier auf Druck der Arbeitskollegen) kündigt, muss er laut Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig Holstein konkrete Maßnahmen ergriffen haben, um die Drucksituation zu beseitigen. In diesem Zusammenhang entschied das Gericht auch, dass ein Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung gerichtlich aufgelöst werden kann, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei einer Behörde anzeigt, ohne vorher mit ihm eine Klärung versucht zu haben. Im Ausgangsfall war der Kläger als Vertriebsingenieur bei dem beklagten Arbeitgeber tätig. Nach einem Freizeitunfall war er 2009 mehrere Monate arbeitsunfähig erkrankt. Nach seiner Gesundung befand er sich – neben anderen Kollegen – seit November 2009 in Kurzarbeit Null. Der Arbeitgeber versuchte erfolglos, den Kläger zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen und bot ihm eine Abfindung an. Im Februar 2011 kündigte der Arbeitgeber mit der Begründung, zwei eng mit dem Kläger zusammenarbeitende Arbeitskollegen aus dem Vertrieb, die für hohen Umsatz sorgten, hätten gedroht, bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers selbst zu kündigen. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis im März 2011 erneut fristgemäß. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt.
Voraussetzung: Druckkündigung müssen Maßnahmen zur Beseitigung der Drucksituation vorangehen
Die Berufung des Arbeitgebers hatte vor dem LAG insoweit keinen Erfolg. Berufe sich ein Arbeitgeber im Fall einer Kündigung auf eine Drucksituation (Druckkündigung), müsse er den Nachweis führen, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen habe, um die Drucksituation in den Griff zu bekommen. Der Hinweis auf allgemeine Gespräche reiche dazu nicht aus.
Arbeitnehmer stellt Anzeige gegen Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit
Anders sehe dies aber bezüglich des vom Arbeitgeber im Verfahren gestellten Antrags, das Arbeitsverhältnis gegen den Willen des Klägers durch das Gericht gegen Zahlung einer geringen Abfindung aufzulösen, weil eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden könne, aus. Der Kläger hatte im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit im November 2009 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geäußert, er werde durch den Arbeitgeber mit Kurzarbeit bestraft, weil er keiner Trennung zugestimmt habe. So gehe er immer vor, er nutze die Kurzarbeit als Zusatzgeschäft. Während des Kündigungsschutzverfahrens 2011 schrieb er nochmals an diese Behörde, der Arbeitgeber missbrauche gezielt die Kurzarbeit. Daraufhin erstattete die Agentur für Arbeit eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber. Dieses führte zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen sie, mit hier unbekanntem Ausgang.
Berechtigter Auflösungsantrag bei Anzeige gegen Arbeitgeber
Das Landesarbeitsgericht gab hier dem Auflösungsantrag statt. Der Kläger habe zunächst eine Klärung mit dem Arbeitgeber im Betrieb versuchen müssen. Eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit sei hier aber nicht zu erwarten, wenn der Arbeitnehmer sofort eine Anzeige erstatte. Es sei nicht notwendig, dass die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft gerichtet sei. Vielmehr reiche es aus, wenn die Anzeige zu Ermittlungen gegen den Arbeitgeber führe (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.03.2012; Az.: 2 Sa 331/11).
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