Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht – Roman taugt nicht als Kündigungsgrund
Arbeitnehmer schreibt Roman über das Büro
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm musste jetzt über die Kündigung eínes Arbeitnehmers entscheiden, der den Roman „Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht“ verfasst hat. Der 51 Jahre alte Kläger ist seit 1998 bei der beklagten Arbeitgeberin als Sachbearbeiter tätig. Er ist Mitglied des Betriebsrats. Im Buch wird u. a. dem (dort so genannten) Arbeitnehmer „Hannes“ unterstellt, dieser konsumiere Rauschmittel („hat alles geraucht, was ihm vor die Tüte kam“). Über die Arbeitnehmerin „Fatma“ heißt es im Buch, sie „erfülle so manches Klischee, was man allgemein von Türken pflegt: ihre krasse Nutzung der deutschen Sprache und auch ihr aufschäumendes Temperament. Leider steht ihr Intellekt genau diametral zu ihrer Körbchengröße“. Der Junior-Chef „Horst“ wird folgendermaßen beschrieben: „Er ist ein Feigling! Er hat nicht die Eier, jemandem persönlich gegenüberzutreten, dafür schickt er seine Lakaien“. Der Kläger bot das Buch Ende Oktober 2010 während der Arbeitszeit Kollegen zum Kauf an.
Fristlose Kündigung: Roman stört Betriebsfrieden und enthält Beleidigungen
Die Arbeitgeberin sprach am 10. November 2010 eine fristlose Kündigung aus. Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Kündigung zugestimmt. Die Arbeitgeberin stützt die Kündigung darauf, dass der Roman des Klägers beleidigende, ausländerfeindliche und sexistische Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte des Klägers enthalte. Das Buch weise deutliche Parallelen zum Unternehmen und dort tätigen Personen auf. Durch den Roman sei der Betriebsfrieden erheblich gestört worden. Verschiedene Arbeitnehmer hätten sich persönlich angegriffen gefühlt, eine Mitarbeiterin habe sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam und berief sich auf die Freiheit der Kunst. Das Arbeitsgericht Herford hatte der Kündigungsschutzklage stattgegeben.
Kunstfreiheit schützt vor Kündigung
Das LAG hat die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Der Kläger könne sich auf die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Insoweit bestehe die Vermutung, dass es sich bei einem Roman nicht um tatsächliche Gegebenheiten, sondern um eine fiktionale Darstellung handele. Etwas anderes könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann gelten, wenn alle Eigenschaften einer Romanfigur dem tatsächlichen Vorbild entsprächen. Dies habe im Streitfall nicht festgestellt werden können, zumal die Beklagte betont habe, die im Roman überspitzt gezeichneten Zustände spiegelten nicht die realen Verhältnisse im Betrieb wider (Urteil vom 15.07.2011; Az: 13 Sa 436/11).
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