EuGH klärt Gerichtsstand für in mehreren EU-Ländern tätige Arbeitnehmer
Wenn ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten ausübt, findet nach aktueller Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf einen Rechtsstreit über den Arbeitsvertrag das Recht des Staates Anwendung, in dem der Arbeitnehmer seine beruflichen Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt.
Im Ausgangsfall ging es um einen in Deutschland lebenden Beschäftigten (Herr Koelzsch) einer luxemburgischen Firma, der als Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr tätig war. Die Abstellplätze der Fahrzeuge befinden sich in Deutschland, wo die Gesellschaft weder über einen Gesellschaftssitz noch über Geschäftsräume verfügt. Die Wagen sind in Luxemburg zugelassen, die Fahrer sind der luxemburgischen Sozialversicherung angeschlossen. Der 1998 unterzeichnete Arbeitsvertrag des Beschäftigten sah für den Fall eines Rechtsstreits die Anwendung des luxemburgischen Rechts vor. Der Fahrer wurde 2001 als Ersatzmitglied in den Betriebsrat gewählt und erhielt kurze Zeit später die Kündigung. Die deutsche Arbeitsgerichte hielten sich für örtlich unzuständig, woraufhin der Beschäftigte in Luxemburg klagte. Dort unterlag er in allen Instanzen. 2007 erhob er vor dem Bezirksgericht Luxemburg eine Schadensersatzklage gegen den Staat Luxemburg wegen fehlerhafter Anwendung der Bestimmungen des „Übereinkommens von Rom“ durch die nationalen Gerichte. Das Gericht legte die Sache dem EuGH vor.
Dieser gab dem deutschen Arbeitnehmer Recht. Nach dem Übereinkommen von Rom unterliegen Arbeitsverträge grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Diese Rechtswahl darf nach Artikel 6 des Übereinkommens jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das anzuwenden wäre, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, unterliegt der Arbeitsvertrag daher dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ oder, wenn er seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet. Ausnahmsweise unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Dieses Kriterium des Orts der Ausübung der beruflichen Tätigkeit ist weit auszulegen und wie im vorliegenden Fall anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausübt, sofern das nationale Gericht den Staat ermitteln kann, mit dem die Arbeit eine maßgebliche Verknüpfung aufweist. Hier muss das Gericht aufgrund des Wesens der Arbeit im internationalen Transportsektor sämtlichen Gesichtspunkten Rechnung tragen, die die Tätigkeit des Arbeitnehmers kennzeichnen. Es muss insbesondere ermitteln, in welchem Staat sich der Ort befindet, von dem aus der Arbeitnehmer seine Transportfahrten durchführt, Anweisungen zu diesen Fahrten erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden. Es muss auch prüfen, an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert werden, wo sie entladen werden und wohin der Arbeitnehmer nach seinen Fahrten zurückkehrt (EuGH, Urteil vom 15.03.2010; Az.: C-29/10).
Für detaillierte Informtionen lesen Sie auch unseren Artikel: EuGH schränkt freie Rechtswahl bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen ein.
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