Sozialgericht erkennt Amokfahrt des Ex-Mannes als Arbeitsunfall an
Die schwere Verletzung einer Blumenhändlerin durch die Amokfahrt ihres Ex-Mannes in ihren Blumenstand stellt nach Auffassung des Sozialgerichts (SG) Berlin einen versicherungsrechtlichen Arbeitsunfall dar. Im Ausgangsfall war der ehemalige Ehemann mit einem gemieteten Kleintransporter in den Stand der Frau gerast und hatte sie lebensgefährlich verletzt. Wenige Stunden zuvor hatte der Täter bereits versucht, auch seine aktuelle Lebensgefährtin zu erstechen. Nach seiner Verhaftung beging der Täter im Untersuchungsgefängnis Selbstmord. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Es habe sich um einen rein privaten Konflikt gehandelt, ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin und dem Vorfall bestehe nicht. Die Blumenhändlerin klagte vor dem Sozialgericht.
Die Richter gaben der Klage statt. Jeder, der am Arbeitsplatz verletzt wird, stehe grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es bei der Frage, ob ein Überfall als Arbeitsunfall anzusehen ist, in der Regel entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers an. Die maßgebliche Bedeutung der Beweggründe führe jedoch nicht dazu, dass es unbedingt eines nachgewiesenen betriebsbezogenen Tatmotivs bedarf, um den inneren Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit herzustellen. Dieser Zusammenhang ist nämlich nach der Rechtsprechung von vornherein grundsätzlich gegeben, sofern sich der Versicherte in seiner Arbeitsstätte befunden hat. Die Versagung des Versicherungsschutzes komme dann in Betracht, wenn der Versicherte einem gegen seine Person gerichteten geplanten Anschlag zum Opfer gefallen ist und alle möglichen Tatmotive des Täters ausschließlich im Zusammenhang mit dem persönlichen Bereich des Versicherten und dortigen Auseinandersetzungen zu suchen sind, so dass ein betriebsbezogenes Motiv fehlt. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung entfalle aber nur dann, wenn die Beweggründe ausschließlich dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen seien. Hierfür treffe den Unfallversicherungsträger die Beweislast. Blieben – wie hier – die genauen Motive einer Gewalttat am Arbeitsplatz durch den Selbstmord des Täters im Dunkeln, habe das Opfer Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (SG Berlin, Urteil vom 22.02.2011; Az.: S 25 U 406/10).
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