300.000 Wirte betroffen – „Freiwillige“ Überführung in gesetzliche Unfallversicherung unwirksam
Ohne eigene Antragstellung des Versicherten kommt eine freiwilliges Versicherungsverhältnis auch im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung nicht zustande. Mit dieser Begründung hat das Sozialgericht (SG) Aachen in einem jetzt veröffentlichten Urteil die entsprechende Satzung gekippt. Geklagt hatte der Pächter einer kleinen einem Sportverein angegliederten Gaststätte, der 4-5 Stunden wöchentlich dort alleine den Ausschank betreibt. Bislang war er bei der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten pflichtversichert und hatte den Mindest-Jahresbeitrag von 50 € zu zahlen. Ab dem 01.01.2008 sah die Satzung keine Pflichtversicherung der Unternehmer mehr vor. Die Pflichtversicherung werde automatisch in eine freiwillige Versicherung umgewandelt, teilte die BG dem Kleinstunternehmer Ende 2007 per Formularschreiben mit. Anderenfalls müsse er schriftlich widersprechen. Der Pächter kümmerte sich nicht weiter um die Angelegenheit. Ein Jahr später forderte die BG rückwirkend einen Jahresbeitrag von mehr als 550 € für seine freiwillige Versicherung. Auf diese Weise sind mehr als 300.000 Gaststättenbetreiber durch Schweigen in die "freiwillige" Versicherung "überführt" worden, wie der Vertreter der Beklagten in der Gerichtsverhandlung einräumte. Die enorme Erhöhung des Beitrags lag an der mit der neuen Satzung einhergehenden Erhöhung der Mindestversicherungssumme von 2000 € auf 24.000 €. Für diese Praxis fehle es laut Gericht an einer gesetzlichen Grundlage. Weder die geänderte Versicherungssatzung der Berufsgenossenschaft, noch das einschlägige Gesetzesrecht ermächtige hierzu. Für die Begründung eines freiwilligen Versicherungsverhältnisses sei zwingend einen Antrag des Versicherten zu fordern. Die hier praktizierte Vorgehensweise, nur bei Widerspruch der bislang Pflichtversicherten von einer freiwilligen Versicherung abzusehen, genüge den gesetzlichen Vorgaben nicht (SG Aachen, Urteil vom 31.03.2010; Az.: S 1 U 85/09).
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