Schritt halten in der Arbeitswelt: Hängt das E-Learning die ältere Generation ab?
Weiterbildungsbereitschaft für Mitarbeiter wird immer wichtiger - für Einstellung, Arbeitsplatzerhalt und die Eröffnung neuer Karrierechancen. Das gaben über 75 Prozent der 300 befragten Human-Resources-Manager in einer Studie der Studiengemeinschaft Darmstadt und TNS Infratest ab. Dabei wird klar: Weiterbildung bleibt ein zentrales Thema, Methoden aber entwickeln sich weiter und verschieben sich zunehmend in den digitalen Bereich. Damit entsteht nicht nur im Bereich der Lernformate ein deutlicher Generationenwechsel. Für ältere Mitarbeiter, die nicht in eine multimediale Arbeitswelt hineingeboren wurden, kann der Wandel hin zu einer digitalen Form der Weiterbildung eine große Hürde werden, wenn es um die Möglichkeit zur Weiterqualifikation und daraus resultierende Karrierechancen geht. Medienkompetenz wird dadurch zu einem entscheidenden Kriterium, wenn es um persönliche Entwicklungsmöglichkeiten geht. Umso wichtiger scheint es, den Weg zu modernen Lernmethoden für alle Arbeitnehmer zu öffnen und Programme zu entwickeln, die das E-Learning zu einer Weiterbildungsform mit generationenübergreifendem Lernerfolg machen.
Weiterbildung 4.0: Dem Blended Learning gehört die Zukunft
Der Trend geht zum Blended Learning: eine Kombination aus schriftlichen Lernmaterialien, digitalen Medien, Webinaren und Seminaren ermöglicht den Mitarbeitern einen universellen Zugriff auf die Lernmaterialien und macht es somit möglich, immer und überall zu lernen. Auf den so genannten Online Campus kann von digitalen Endgeräten wie Smartphones, Laptops und Tablets zugegriffen werden. Er bündelt Bibliothek und Austauschplattform und ist Materialquelle für E-Books, Lernvideos und weitere Formen von Lernmaterialien. Die Entwicklung neuer Lernorte und Lernformate reagiert auf die Anforderungen moderner Fach- und Führungskräfte und stellt ihnen die flexible Form des Lernens zur Verfügung, die sie in einer digitalen Arbeitswelt benötigen.
Die aktuelle Studie von TNS Infratest ergab, dass E-Medien als wichtiger Faktor für die Lernmotivation und den Erfolg eingeschätzt werden. Lernprogramme seien so mit 79 Prozent das wichtigste digitale Lernformat, direkt gefolgt von Webinaren mit 78 Prozent und E-Books mit 77 Prozent. Auch Lern-Videos werden gern genutzt, für 69 Prozent der Befragten ist auch ein Online Campus als Austauschplattform und Lerncommunity erfolgsentscheidend. Lern-Apps und Lern-MP3s sind ebenfalls für die Hälfte der Studienteilnehmer wichtig. Anhand dieser Diversität lässt sich erkennen, wie breit gefächert und unterschiedlich die jeweiligen Neigungen beim Lernen sind. Blended Learning ist darum mit seiner Vielzahl an Möglichkeiten und Materialien die scheinbar perfekte Lösung. Aber gilt das auch für Alle, oder bleibt der Zugang zu den neuen Lernmethoden und den Chancen, die diese eröffnen, nur der jüngeren Generation der Arbeitnehmer zugänglich?
Lerninhalte und Lernformate sinnvoll anpassen
Junge Mitarbeiter zeichnen sich häufig durch eine hohe Motivation und Lernbereitschaft aus. Nicht umsonst steigt die Attraktivität eines Unternehmens als potentieller Arbeitgeber auch durch die Fort- und Weiberbildungsmöglichkeiten, die es seinen Mitarbeitern eröffnet. Junge Arbeitnehmer möchten sich stetig weiter entwickeln, sich für den Arbeitsmarkt optimal qualifizieren und ihre persönliche Karriereplanung umsetzen können. Aber ist die Lernbereitschaft erfahrenerer Mitarbeiter tatsächlich so viel geringer? Haben ältere Arbeitnehmer kein Interesse mehr daran, sich weiterzuentwickeln und zusätzliche Qualifikationen zu erwerben? Auf keinen Fall, wie aus einem Bericht der Marie-Luise und Ernst Becker Stiftung zum Thema „Gesundheit, Qualifikation und Motivation älterer Arbeitnehmer“ hervorgeht.
Demnach verfügen ältere Mitarbeiter über ein hohes Potenzial, das sich allerdings grundlegend von dem der jüngeren Generation unterscheidet. Vor allem die Motivation verändere sich mit zunehmendem Alter und Berufserfahrung stark, nehme aber nicht grundsätzlich ab, heißt es in dem Bericht. So messen Arbeitnehmer mit zunehmendem Alter dem Beruf an sich zwar häufig weniger Bedeutung in ihrem Leben bei, das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie auch weniger motiviert sind, sich im Unternehmen einzubringen. „Jüngere Mitarbeiter lernen aus Interesse, die Älteren nur, wenn sie den Sinn erkennen“, erklärt Diplom-Psychologin Dorothee Reiners vom Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen die besonderen Anforderungen, die die Weiterbildung erfahrenerer Arbeitnehmer mit sich bringt.
Wer auf einen reichen Erfahrungsschatz aus dem bisherigen Berufsleben zurückgreifen kann, knüpft beim Erlernen neuer Inhalte automatisch daran an und versucht, das neue Wissen mit den bereits vorhandenen Kenntnissen in Einklang zu bringen. Experten im Bereich Lernfähigkeit haben längst herausgefunden, dass Neulernen leichter ist als Umlernen. Dieser Grundsatz muss in der Aufbereitung von Lerninhalten und Lernformaten für ältere Mitarbeiter berücksichtigt werden. Weiterführende Informationen vermittelt die Studie „E-Learning und die geistige Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer“ von Prof. Dr. Kurt H. Stapf vom Psychologischen Institut der Universität Tübingen.
Blended Learning als Chance
Unternehmer sind heute zunehmend in der Pflicht, ihr Weiterbildungsangebot zu differenzieren und auf die individuellen Bedürfnisse unterschiedlicher Mitarbeitergenerationen anzupassen. Ideal ist ein Kompromiss aus einem umfassenden E-Learning-Angebot und klassischen Präsenzschulungen. Seminare für Mitarbeiter mit ESO beispielsweise eignen sich auch als hausinterne Veranstaltung. Damit auch ältere Mitarbeiter die Möglichkeiten des E-Learnings effizient nutzen können, kann es hilfreich sein, wenn Unternehmen zusätzlich Schulungen im Bereich Medienkompetenz anbieten, um potentielle Wissenslücken zu schließen und den Zugriff auf weiterführendes Wissen für alle zu ermöglichen.
Wer auf eine sinnvolle Kombination aus modernem E-Learning und bewährten Weiterbildungskonzepten setzt, praktiziert also Blended Learning in Reinform und kann damit generationenübergreifend maximale Lernerfolge erzielen. Im E-Learning kommt die Medienkompetenz jüngerer Arbeitnehmer zum Tragen, während ältere Mitarbeiter bei Präsenzveranstaltungen im direkten Kontakt ihre berufliche Erfahrung als wertvolle Komponente mit einbringen können.
Ein gemeinsames Interesse besteht auf jeden Fall, denn der demografische Wandel macht es unumgänglich, dass Unternehmer und Mitarbeiter gleichermaßen umdenken und die modernen Möglichkeiten der Weiterbildung bestmöglich für sich nutzbar machen.
Wissenstransfer im Zeichen des demografischen Wandels
Quelle: TNS Infratest
Die Verschiebung des Renteneintrittsalters auf das 67. Lebensjahr führt dazu, dass viele Mitarbeiter länger im Arbeitsleben bleiben als noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig hinterlässt der demografische Wandel inzwischen auf dem Arbeitsmarkt deutliche Spuren - in den kommenden Jahren werden viele gelernte Fachkräfte in den Ruhestand gehen, während nur ein geringer Teil an jungen, fachlich ausgebildeten Mitarbeitern nachrücken kann. Das merken besonders mittlere und große Unternehmen. Für Unternehmen ist es deshalb besonders wichtig, ihre Mitarbeiter auch nach langjähriger Betriebszugehörigkeit stetig weiter zu qualifizieren und ihnen dabei zu helfen, mit der sich stetig verändernden Arbeitswelt Schritt zu halten. Durch gezielte Weiterbildungsprogramme ist es möglich, dem anstehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Unternehmen und Mitarbeiter können besonders profitieren, wenn es ihnen gelingt, die Brücke zwischen den Generationen zu schlagen und sowohl erfahrenen als auch jüngeren Mitarbeitern den Weg zu einer umfassenden Weiterbildung zu ebnen. Experten halten den Wissenstransfer von jüngeren zu älteren Mitarbeitern für den Schlüssel, um die Lücke zwischen den Generationen zu schließen.
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