Vorstandmitglieder einer AG haften für nicht abgeführte Lohnsteuer
Zur Vertretung befugte Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG) haften für nicht abgeführte Lohnsteuer. Dies gilt nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg auch dann, wenn im Unternehmen andere Zuständigkeiten vereinbart wurden.
Der Fall
Eine Management-Holding, die als AG ihre Geschäfte führte, kam in finanzielle Schwierigkeiten. Aus diesem Grund wurde die Lohnsteuer für die Arbeitnehmer nicht rechtzeitig ans Finanzamt abgeführt. Vertretungsbefugt waren zwei Vorstandsmitglieder. Nach einer internen Vereinbarung sollten die Geschäfte aufgeteilt werden und sich ein Vorstandsmitglied lediglich um das Vertriebsgeschäft kümmern, während der andere Vorstand mit den Personalfragen betraut wurde. Kurz darauf schied das für den Vertrieb verantwortliche Vorstandsmitglied aus dem Unternehmen aus. Im Zuge der nachfolgenden Insolvenz des Unternehmens wurde der verbliebene Vorstand durch Haftungsbescheid für die nicht abgeführte Lohnsteuer, Solidaritätszuschläge sowie Kirchensteuer in Anspruch genommen. Da sich das Vorstandsmitglied nicht in der Verantwortung wähnte, klagte es gegen den Bescheid des Finanzamtes.
Das sagt der Richter
Die Klage blieb erfolglos. Nach Meinung des Gerichts hat das Finanzamt das Vorstandsmitglied zu Recht in Anspruch genommen. Bei einer AG hätten alle Vorstandsmitglieder als gesetzliche Vertreter die Verpflichtungen wahrzunehmen, die sich aus ihrer Stellung ergäben. Dazu gehöre auch die Wahrnehmung sämtlicher steuerlichen Interessen und der daraus resultierenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Abführung der Lohnsteuer. Zwar sollte der Kläger im Innenverhältnis lediglich für das operative Geschäft zuständig sein. Dies entbinde ihn aber nicht von seiner Verpflichtung im Außenverhältnis. Werden mehrere Vorstandsmitglieder zur Vertretung bestellt, so treffe alle gleichzeitig die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und damit auch die Verantwortung gegenüber den Finanzbehörden (FG Hamburg, Urteil vom 21.10.2010, Az.: 6 K 228/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Vorstandmitglieder einer AG haften grundsätzlich nach dem Prinzip der Gesamtverantwortung. Zwar kann diese Verantwortung durch eindeutige, im Vorfeld schriftlich getroffene Vereinbarungen begrenzt werden. Ein kompletter Haftungsausschluss ist jedoch nicht möglich.
Wichtiger Hinweis
Werden Geschäftsbereiche unter den Vorstandsmitgliedern aufgeteilt, so ändert dieser Umstand nichts an der Verpflichtung jedes einzelnen Mitgliedes, jederzeit auch über den wirtschaftliche Status der Gesellschaft insgesamt und die jeweiligen Tätigkeiten der anderen Mitglieder informiert zu sein und im Falle einer wirtschaftlichen Krise entsprechende Gegenmaßnahmen vorzubereiten oder einzuleiten.
Insbesondere kann von Vorstandmitgliedern verlangt werden, bei Liquiditätsengpässen für eine adäquate Mittelbereitstellung zu sorgen. Dies gilt vor allem für die Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer.
Vorsicht
Werden die finanziellen Mittel knapp, so dürfen die Löhne und Gehälter nur noch verkürzt ausbezahlt werden, damit die sich daraus berechnete Lohnsteuer in jedem Fall an das Finanzamt abgeführt werden kann. Im Falle einer Zuwiderhandlung haftet ein Vorstandmitglied für diese Pflichtverletzung nach § 69 der Abgabenordnung (AO).
Checkliste zum Download
Welche Haftungsfallen in der Insolvenz ansonsten drohen, erfahren sie anhand unserer Checkliste Insolvenzhaftung Vorstand.
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