Anfechtung der Lohnsteuerzahlung – Diese Insolvenzfalle müssen Geschäftsführer kennen
Als Geschäftsführer einer GmbH stehen Sie gerade kurz vor und während der Insolvenz unter Dauerbeschuss der Gläubigerforderungen. Der Bundesfinanzhof hat hier eine neue Gefahrenquelle bei der Lohnsteuer für Sie eröffnet. Während Geschäftsführer in der Krise vor allem versuchen sollten, zuerst die staatlichen Forderungen zu begleichen, kann eine spätere Anfechtung dieser Steuerzahlungen durch den Insolvenzverwalter Ihnen bei verspäteter Zahlung das Genick brechen.
Der Fall aus der Praxis
Eine GmbH befand sich 2003 in einer schweren Krise. Der Geschäftsführer reichte die Lohnsteueranmeldungen für den Zeitraum April bis Juni fristgerecht beim beklagten Finanzamt ein und beglich später die Steuerschuld durch Zahlung an den zuständigen Vollziehungsbeamten. Aufgrund zusätzlicher Steuerschulden beantragte das Finanzamt einen Monat später die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH - welches 3 Monate später eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter focht die Zahlung der Lohnsteuer an den Vollziehungsbeamten gemäß § 131 Abs.1 InsO an, woraufhin das Finanzamt den Betrag an die Insolvenzmasse rückerstattete. Wegen der demzufolge wieder offenen Steuerschulden nahm es den Geschäftsführer mit Haftungsbescheid nach § 69 AO in Anspruch. Der Einspruch des Mannes wurde abgelehnt, die daraufhin erhobene Klage vor dem Finanzgericht war dagegen erfolgreich. Der Geschäftsführer hatte eingewandt, dass er mit der Zahlung alles Erforderliche getan habe, um die Steuerschuld zum Erlöschen zu bringen. Nach Zahlung der Verbindlichkeiten habe er keinen Einfluss mehr darauf, ob das Finanzamt wegen anderer offener Steuerschulden einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stelle und ob im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter Zahlungen wegen Gläubigerbenachteiligung anficht. Es fehle deshalb an der notwendigen durchgängigen Kausalität zwischen seiner - wenn auch verspäteten - Zahlung und dem späteren Schaden des Finanzamts.
Das sagt der Richter
Das Finanzamt ging daraufhin in die Revision, der BFH gab dieser statt und hob das Urteil auf. Ein Geschäftsführer sei grundsätzlich zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der Lohnsteuerabzugsbeträge verpflichtet. Zwar habe er die Lohnsteueranmeldungen abgegeben, allerdings zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt nicht die angemeldeten Beträge entrichtet. Diese schuldhafte Pflichtverletzung sei hier kausal für den Eintritt des Vermögensschadens beim Fiskus gewesen. Hätte der Geschäftsführer die angemeldeten Lohnsteuern bis spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt, wäre es nicht zu dem Steuerausfall beim Fiskus gekommen. Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbreche den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt wie hier vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag.
Die Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit sei einem Geschäftsführer nicht allein zur Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls auferlegt, sondern soll auch die Erfüllung der Steuerschuld sicherstellen. Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer pflichtwidrig verspäteten Lohnsteuerzahlung und dem Steuerausfall ergibt sich daraus, dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zur fristgemäßen Lohnsteuerabführung erfasst wird. (BFH, Urteil vom 11. 11. 2008; Az. VII R 19/08)
Das bedeutet die Entscheidung
Mit der Entscheidung hat sich der BFH anscheinend von seiner bisherigen Rechtsprechung entfernt. Danach muss der Geschäftsführer einer GmbH für einen Steuerausfall, den das Finanzamt wegen Insolvenz der GmbH erleidet, nur dann persönlich haften, wenn er die steuerlichen Pflichten nicht erfüllt hat und diese Pflichtwidrigkeit für den Steuerausfall adäquat kausal geworden ist. Dies bedeutet nichts anderes, als dass generell Pflichtwidrigkeiten dieser Art zum Steuerausfall führen können. Das Finanzgericht hatte dies seinerzeit mit der Begründung verneint, dass der Schadenseintritt Ergebnis eines neuen, selbstständigen Kausalverlaufs sei. Dieser Auffassung ist der BFH erkennbar nicht gefolgt und hat eindeutig auf die Verspätung abgestellt.
Expertenrat
Damit ist deutlich geworden, dass es kurz vor der Insolvenz keinesfalls ausreicht, die fälligen staatlichen Steuern und Abgaben verspätet zu begleichen. Fraglich ist jetzt aber auch, ob nicht eine häufig praktizierte und rechtlich zulässige Stundungsvereinbarung bezüglich der Steuerzahlungen mit dem Finanzamt auf den Geschäftsführer zurückfällt. Aus diesem Dilemma gibt es angesichts der geltenden Insolvenzordnung, die grundsätzlich alle Handlungen des Insolvenzschuldners innerhalb der letzten 3 Monate anfechtbar macht, keinen Ausweg. Prinzipiell sollten Sie in einer Krisensituation als Geschäftsführer noch vorsichtiger agieren und früh genug Insolvenzantrag stellen - anderenfalls sitzen Sie persönlich in der Falle.
Übersicht zum Download
In unserer Übersicht: Verpflichtung zum Insolvenzantrag (GmbH) finden Sie,wann Sie gesetzlich zur Anmeldung der Insolvenz verpflichtet sind.
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