Man, man, man – Wer?
In der Wirtschaft direkt beim Münchner Westfriedhof saß eine lustige Gesellschaft beim Frühschoppen im Biergarten. Wieso waren die bloß alle schwarz gekleidet? War das etwa ein Leichenschmaus? Dafür ging es ganz schön lustig zu, obwohl das ja auch gut ist, wenn die Menschen sich gut an den Verstorbenen erinnern. Außerdem ist der Leichenschmaus für die Lebenden und nicht für den Toten!
Die Gesprächsfetzen trug der Wind weit in Richtung Nymphenburger Park:
>Ich geh wieder öfter tanzen. Heute Abend gleich.<
>Ich mache jetzt einen Umsatzplan für dieses Jahr.<
>Ich kläre morgen den Konflikt mit Peter.<
>Ich trau mich, auf der Messe potenzielle Kunden anzusprechen.<
>Du hast gehört, was ich gesagt habe, das meine ich genauso.<
Von so viel Klarheit angezogen, blieben mehrere Passanten am Zaun des Biergartens stehen und erkundigten sich, wer denn hier zu Grabe getragen worden war. Ein junger Mann schlenderte zum Zaun und klärte die staunenden Zaungäste auf: „MAN ist gestorben. Wann genau, weiß keiner. Er ist irgendwie langsam verschwunden und wurde irgendwann tot in seiner Wohnung gefunden.“
Eine Frau kam dazu und lachte: “Dabei strotzte er immer so vor Leben und verbreitete jede Menge unverbindlicher Lebensweisheiten in seinem Viertel, so dass in seinem Umkreis auch alle anderen irgendwie unverbindlich wurden. Ohne sich selbst und die anderen wirklich wahr zu nehmen, rauschten die Menschen an ihren Chancen vorbei und verschwanden durch ihre ganz persönlichen Hintertürchen in ihre ganz persönlichen Komfortzonen. Jeder Tag war irgendwie gleich.
Was hat er noch immer erzählt? Ach ja, genau:“
>Man könnte mehr Umsatz machen. <
>Man müsste sich mehr trauen. Man bräuchte einen Plan. <
>Das kann man doch nicht machen.<
>Man tut das nicht!<
>Man müsste mal wieder tanzen gehen.<
>Man kann das so nicht sagen.<
Die Frau schmunzelte: „ MAN sagte eine ganze Menge und gemacht hat irgendwie keiner was.“ Ein kleiner Junge fragte krähend. “Wer? Wer ist denn dieser MAN? Ist der jetzt tot? Warum?“
Darauf lachte der junge Mann auf der anderen Zaunseite und sagte: „Ja, das war komisch. Ich war auf einem Workshop, weil ich mich selbstständig machen wollte und kam voller Tatendrang, vor Energie sprühend, zurück. Die anderen ließen sich anstecken und wir machten zu viert ein Gemeinschaftsbüro auf mit dem Namen „Wir machen das!“. Es lief super und MAN besuchte uns täglich und befeuerte uns mit seinen Weisheiten. Vor lauter Tatendrang hatten wir keine Zeit für sein unverbindliches Gebrabbel.
Danach habe ich MAN nur manchmal am Schaufenster vorbeihuschen sehen. Er kam mir von Woche zu Woche kleiner vor und irgendwann haben wir ihn nicht mehr gesehen. Ehrlich gesagt ist uns das gar nicht aufgefallen, bis wir ihn letzte Woche gefunden haben. Der Hund der Nachbarin bellte vor der Wohnung von MAN und ließ sich gar nicht beruhigen. Wir gingen rein und es war totenstill. Auf ein Häuflein Elend zusammengeschrumpft lag MAN tot da und die Überreste passten einfach so in ein kleines Kästchen. Da haben wir ihn wenigstens anständig beerdigt und trinken jetzt ein Glas auf sein Wohl! Möge MAN in Frieden ruhen!
Die Moral von der Geschicht‘: Red‘ Klartext und steh dazu, dann brauchst das Hintertürchen nicht!
Sachdienlicher Hinweis: MAN sagen und sich selbst damit meinen hat sich so hinterrücks in unseren Sprachgebrauch eingeschlichen, so dass wir es meist nur merken, wenn uns jemand darauf hinweist. Wenn Sie sich von jemandem konsequent darauf hinwiesen lassen, werden Sie merken, wie tief dieses MAN verankert ist.
Hören Sie genau hin, wann Sie und/oder andere MAN benutzen. Wenn Sie ICH meinen, dann sagen Sie es. Wenn Sie jemand anderen meinen, benennen Sie denjenigen oder diejenige.
Indem Sie Ihre Aussage personalisieren, übernehmen Sie Verantwortung und strahlen Verbindlichkeit aus. Iiiih, denken Sie jetzt? Ach so? Verantwortung übernehmen bedeutet gleichzeitig, dass es schwerer wird, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ja genau, merken Sie selber, oder?
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