Flexible Wissenstransfer-Formate (Teil 1): Mit Speed-Networking und Geschichtentausch Wissenswertes erfahren
„Geschichten sind Fakten, eingepackt in Kontext, mitgeteilt mit Emotionen.“
Richard Maxwell, Robert Dickman
Die hier vorgestellten zwei Methoden transferieren Wissen in Form von Geschichten und vernetzen gleichzeitig die Erzählenden. Beide Methoden brauchen wenig Zeit, können aber auch ausführlicher genutzt werden. Sie eignen sich für Besprechungen, Workshops und Events.
Geschichten
Geschichten machen stilles Wissen greifbar – es wird ausgesprochen. Doch nicht nur das. Während reine Fakten nur zwei Gehirnregionen aktivieren, regen Geschichten wesentlich mehr Gehirnregionen an. „Als plötzlich das Telefon klingelte, sprang ich auf vor Überraschung.“ Damit regt man zum Beispiel den auditiven Cortex an und den motorischen Cortex wegen der berichteten, reflexhaften Bewegungen. Wir sehen außerdem das innere Bild eines Telefons, es tauchen Erinnerungen an ähnliche Momente auf. Und das sind noch längst nicht alle aktivierten Gehirnregionen.
So werden wir also sehr „wach“. Wir lauschen mit allen Sinnen. Wir nehmen viel auf. In unserem Kopf entsteht ein starkes Abbild der Geschichte. So wie bei einem Buch, dass Sie bewegt hat. Manchmal wollen Sie dann den Film dazu eher nicht sehen. Er könnte ja vielleicht dieses starke innere Bild mit einem schwächeren Bild überschreiben. Wer will das schon.
Mit eben dieser Kraft transportieren Geschichten Wissen über Zeit und Raum. Wir können dabei gut mitdenken. Und wir nehmen viel Wissen auf. So lernen wir mit der Geschichte.
Darüber hinaus vernetzen Geschichten. Denn wir gehen damit eine Beziehung ein. Wir überlegen uns ja gut, wem wir unsere Geschichte erzählen. Je nach Geschichte gehört weniger oder mehr Vertrauen zum Zuhörer dazu. Und Gegenseitigkeit. Also das Geben und Bekommen. Genau dies bieten die beiden hier vorgestellten Methoden.
Speed-Networking
Bei Speed Networking erzählt schon der Name die Methode. Speed Networking kann ad hoc oder vorbereitet durchgeführt werden. Hier eine vorbereitete Variante:
- Vor einem Workshop kommuniziert man ein Thema/Problem/... an die TeilnehmerInnen. Alle werden gebeten sich dazu zu überlegen, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Dies wird dann das Warm-up, um in das Thema des Workshops zu kommen.
- Beim Workshop suchen sich alle jemandem im Raum, mit der/dem sie eher selten Kontakt haben und tauschen ihre Erfahrungsgeschichten in ca. 5 Minuten aus.
- Danach ertönt ein Gong als Signal, sich neue Gesprächspartner zu suchen.
- Drei solche Runden insgesamt geben viele Erfahrungen weiter.
- Zumeist entsteht damit auch Neugier, was wohl jene erfahren haben, mit denen man nicht geredet hat. Das kann man zum Schluss aufgreifen mit einem Blitzlicht, also jede/r stellt seine überraschendste oder interessanteste Erkenntnis vor. Oder man macht eine Kartenabfrage. So können auch gleich Schlussfolgerungen haltbar aus den Geschichten mit erfasst werden.
Tipp
Wenn sich die TeilnehmerInnen kennen, regen Sie zu Beginn an, zu jemandem zu gehen, den man nicht so gut kennt. Oder zu jemandem mit dem man schon lange nicht mehr Kontakt hatte.
Achtung
Wir alle mögen Geschichten. Doch für manchen klingt das Wort Geschichte zu sehr nach ausgedacht und nach etwas, dass in einen Roman gehört und nicht in einen geschäftlichen Workshop - leider. In solchen Situationen sagen Sie nicht Geschichte, sondern „berichten Sie bitte ein Erfahrung“, „geben Sie bitte ein Beispiel“.
Gehen Sie dann noch als Vorbild voran. Und erzählen Sie allen zum Start Ihre kurze Erfahrungsgeschichte zum Thema – als Erklärung der Methode. Damit weiß jeder was gesucht wird. Und wie es wirkt. Denn Sie regen natürlich alle Sinne an mit Ihrem Erzählen.
Geschichtentausch
Der Geschichtentausch ist eine Variante des Speed Networking - mit einer interessanten Veränderung.
- Wieder startet man zu zweit. Und erzählt sich gegenseitig eine Erfahrung zu einem Thema oder einem Problem. Übrigens auch Fragen sind ein geschickter Ausgangspunkt, um Geschichten abzurufen.
- Doch danach erzählt man in jeder weiteren Runde die Geschichte, die man in der Runde zuvor erzählt bekommen hat.
- So wandern die Geschichten systematisch zu allen und man verinnerlicht sie noch besser, indem man sie ja erzählt.
Dabei sollten sie berücksichtigen, dass sich die Geschichten vielleicht etwas verändern. Der Vorteil ist jedoch, dass sie jeder „besitzt“.
Wissenswerte Mehrwerte
Wie schon gesagt, kann man beide Formate als Warm-up für ein Thema, eine Problem, eine Frage nutzen. Genauso kann man aber auch „nur“ sammeln. Vielleicht Erfahrungsgeschichten nach einem großen Projekt. Das ist dann ein Wissens-Vorrat für das nächste große Projekt. Auf jeden Fall haben alle etwas gelernt und andere Menschen besser kennen gelernt.
Quellen:
Melcrum (2015) The science behind storytelling
Kimball, Lisa (2012) Liberating Structures. A Pattern Language for Engaging Everyone in Complex Chance.
Brandl, Hartwig, Stadler, Eva (2015) Geschichtentausch
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