Bahnbrechendes Urteil: Bank darf nachträglich keine Negativzinsen erheben
Anfang Januar 2018 hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ein wichtiges Urteil zugunsten von Bankkunden gesprochen. Danach dürfen Banken und Sparkassen negative Zinsen (sogenannte Strafzinsen) nicht nachträglich über eine Änderung ihrer Geschäftsbedingungen vom Kunden erheben. Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich nach Angaben der Verbraucherzentrale um die erste gerichtliche Auseinandersetzung zu Negativzinsen nach deutschem Recht.
Bank verweigert Unterlassungserklärung
Der Fall
Die Volksbank Reutlingen hatte ihren Kunden mittels Preisaushang mitgeteilt, dass für bestimmte Angebote künftig negative Zinsen fällig würden. Sie begründete ihr Verhalten damit, dass sie mittlerweile anfallenden Kosten für die Annahme und Verwahrung großer Guthaben nicht auf alle Kunden umlegen wolle.
Negative Zinsen von 0,5 % sollten laut Volksbank zunächst beim Tagesgeld ab 10.000 Euro, bei Termin- und Kündigungsgeldern ab 25.000 Euro in geringerem Ausmaß (zwischen 0,15 und 0,35 %) fällig werden.
Die Rechtfertigung der Volksbank zur Einführung von Negativzinsen überzeugte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rechtlich nicht. Zinsen seien vom Schuldner – in diesem Fall also von der Bank – zu zahlen. Die Bank sei nicht berechtigt, diese Zinsen nach einer Umbenennung in Negativzinsen oder Minuszinsen vom Gläubiger als Entgelt zu verlangen. Laut §488 BGB seien (nur) Darlehensnehmer verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen. Die von der Bank im Preisverzeichnis verwendeten Klauseln benachteiligen nach §307 BGB Verbraucher unangemessen, da sie im Widerspruch zum Grundgedanken der gesetzlichen Regelung stehen. Die Verbraucherschützer mahnten daher die Volksbank ab und forderten sie auf, die Negativzinsen für bestimmte Tages- und Festgeldkonten von Privatkunden zurückzunehmen.
Die Volksbank änderte daraufhin ihren Preisaushang und nahm die Negativzinsen zurück. Sie weigerte sich aber, sich mittels Unterlassungserklärung verpflichten, diese Klauseln in Zukunft nicht erneut einzuführen. Die Verbraucherzentrale zog vor das Landgericht Tübingen.
Nachträgliche Zinserhebung ist rechtswidrig
Das Urteil
Das Landgericht gab der Verbraucherzentrale Recht, alle drei geltend gemachten Klauseln seien rechtswidrig. Negativzinsen für bestehende Geldanlageverträge können nicht nachträglich mit Klauseln, wie sie die Volksbank Reutlingen verwendet hat, eingeführt werden. Eine Bank dürfe nicht einseitig über ihre Geschäftsbedingungen aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen.
Andererseits wird mit der vorliegenden Entscheidung laut Gericht der Bank keineswegs dauerhaft die Einführung von Negativzinsen untersagt. Eine negative Verzinsung von Einlageprodukten ist frei vereinbar, solange dies in den entsprechenden Verträgen vorher hinreichend deutlich gemacht werde. (Landgericht Tübingen, Urteil vom 26.01.2018; Az.: 4 O 187/17 - noch nicht rechtskräftig)
Das können betroffene Kunden tun
Die Verbraucherzentrale empfiehlt Kunden, bei denen die Bank in einem laufenden Sparvertrag mittels einer geänderten Klausel Negativzinsen verlangt, zunächst mit Verweis auf das Tübinger Urteil zu widersprechen. Ob dann tatsächlich Klage erhoben werden sollte, ist allerdings nicht vorhersagbar. Im Tübinger Urteil ging es um ganz bestimmte Klauseln, der Wortlaut solcher Klauseln ist in der Branche aber bei weitem nicht einheitlich. Insofern muss daher immer der jeweilige Einzelfall geprüft werden. Dass Banken ein Entgelt für die Verwahrung von Geld vereinbaren können, ist nicht grundsätzlich auszuschließen, wenn eine entsprechende vertragliche Regelung in den Geschäftsbedingungen vorhanden war.
Tipp
Die Zinsen für Tagesgeld befinden sich immer noch auf einen historischen Tiefstand. Kunden sollten daher immer auch prüfen, ob im europäischen Ausland nicht mehr für ihr Erspartes gezahlt wird. Hier finden Sie bspw. Antworten zur Tagesgeldanlage in Österreich.
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