Standby-Wohnung kann volle Steuerpflicht auslösen
Unterhält eine im europäischen Ausland lebende Arbeitnehmerin in Deutschland eine 26 qm große sogenannte Standby-Wohnung, so ist sie nach einer Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts (FG) auch dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn die Wohnung nur für seltene, beruflich veranlasste Übernachtungen dient.
Der Fall aus der Praxis
Der Einsatzflughafen einer Flugbegleiterin befindet sich in Deutschland. Sie lebt mit ihrem Ehemann im europäischen Ausland. Der Arbeitgeber verlangt, dass Mitarbeiter im Einzugsbereich von 50 km zum Einsatzflughafen über eine Unterkunft verfügen. Aus diesem Grund hatte die Arbeitnehmerin in der Nähe des Einsatzflughafens eine 26 qm große Wohnung angemietet. Sie verbrachte im Schnitt zwei bis drei Nächte im Monat in der Wohnung, wenn es für ihren Dienst oder mehrtägige Schulungen erforderlich war. Der Arbeitgeber behandelte die Flugbegleiterin als beschränkt steuerpflichtig, sodass nur der sogenannte Inlandsanteil ihres Lohnes der Besteuerung in Deutschland unterworfen wurde. Das Finanzamt war jedoch anderer Auffassung und erließ Nachforderungsbescheide hinsichtlich der Lohn- und Kirchensteuer sowie des Solidaritätszuschlags. Die Arbeitnehmerin sei wegen der sogenannten Standby-Wohnung unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Gegen diese Entscheidung zog die Flugbegleiterin vor das zuständige Finanzgericht (FG).
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Nach Ansicht der Finanzrichter seien die Nachforderungsbescheide zu Recht ergangen, weil die Flugbegleiterin einen inländischen Wohnsitz i. S. d. § 8 der Abgabenordnung (AO) habe und deshalb in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sei. Die eher spartanische Wohnungseinrichtung und die relativ geringe Zahl an Übernachtungen seien ebenso unerheblich wie die berufliche Veranlassung der Wohnungsnutzung. Dass die Flugbegleiterin die Standby-Wohnung subjektiv nicht als häusliche Bleibe sondern lediglich als bloße Schlafstelle und Hotelersatz betrachte, sei ebenfalls nicht ausschlaggebend. Denn die Flugbegleiterin habe die Wohnung als Mieterin während ihrer unbefristeten Tätigkeit für die Fluglinie auf Dauer und durch das Übernachten auch zu Wohnzwecken genutzt. Es komme alleine auf diese objektiven Merkmale und nicht auf die subjektive Einschätzung der Klägerin an (Hessisches FG, Urteil vom 13.12.2010, Az.: 3 K 1060/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Nach § 8 AO hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Auf den Wohnsitz kommt es an
Nach § 1 Abs. 1 EStG sind Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind nach Absatz 2 auch deutsche Staatsangehörige, die
1. im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und
2. zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen,
sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind.
Wichtiger Hinweis
Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht umfasst alle Einkünfte, die im Rahmen der 7 Einkunftsarten in § 2 EStG aufgeführt sind. Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen unterliegt das gesamte Welteinkommen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuerpflicht. Bei einer Doppelbesteuerung sieht § 34c Abs. 1 EStG vor, dass die ausländische Steuer unter den dort genannten Voraussetzungen auf die deutsche Steuerschuld angerechnet wird, soweit die Doppelbelastung nicht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen verhindert wird.
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