Amtsverlust durch Versetzung – Betriebsrat muss zustimmen
Für Betriebsratsmitglieder gilt ein besonderer Kündigungs- und Versetzungsschutz, der ihnen bei der Ausübung ihres Ehrenamtes den Rücken frei halten soll. Die Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes erfordert deshalb die Zustimmung des Betriebsrats, wenn die Maßnahme den Verlust des Betriebsratsamtes zur Folge hätte.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer ist in einem Unternehmen als Servicemonteur beschäftigt. Er ist zugleich auch Mitglied des Betriebsrats. Im Zuge betrieblicher Umstrukturierungen wurde er von seinem Arbeitgeber einer neugegründeten, eigenständigen Niederlassung zugeordnet. Der Betriebsrat war der Meinung, dass die ohne seine Zustimmung nach § 103 Abs. 3 BetrVG vorgenommene Versetzung unwirksam sei und beantragte deshalb im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, die Versetzung rückgängig zu machen. Der Arbeitgeber entgegnete, dass es sich nicht um eine zustimmungspflichtige Versetzung handele, weil kein Wechsel in einen anderen Betrieb vorgenommen worden sei. Die Veränderung bestünde lediglich darin, dass der Betriebsteil, dem der Servicemonteur zuvor faktisch schon zuzuordnen gewesen wäre, nunmehr eine eigenständige betriebsorganisatorische Einheit darstelle. Dass der Beschäftigte sein Betriebsratsamt durch die Umsetzung verliere, sei Folge der Betriebsspaltung und nicht der Versetzung.
Das sagt der Richter
Das Gericht gab dem Betriebsrat recht. Die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs an den Servicemonteur sei eine Versetzung i. S. d. § 95 Abs. 3 BetrVG. Zwar würden sich weder Ort noch Inhalt der Arbeitsleistung ändern. Der Arbeitsbereich des Beschäftigten ändere sich jedoch funktional. Nach dem Willen des Arbeitgebers solle er künftig in einen anderen Betrieb eingegliedert werden. Es bestünde jedenfalls kein Zweifel daran, dass die neue Niederlassung im Verhältnis zur bisherigen Niederlassung einen anderen Betrieb darstelle. Der Arbeitnehmer solle eindeutig in eine neue betriebliche Struktur eingegliedert werden. Die Versetzung würde zu einem Verlust des Betriebsratsamtes in der alten Niederlassung führen, §§ 24 Nr. 4, 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Die Umstrukturierungen des Unternehmens seien Betriebsänderungen, die jedoch entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht zur Auflösung des ursprünglichen Betriebes geführt haben. Den Verlust des Betriebsratsamtes habe deshalb der Arbeitgeber herbeigeführt. § 103 Abs. 3 BetrVG schütze den Betriebsrat in der Zusammensetzung, wie er von den Arbeitnehmern des Betriebes gewählt worden ist. Eine Zustimmung des Betriebsrates sei daher zwingend erforderlich (LAG Nürnberg, Beschluss vom 11.10.2010, Az.: 7 TaBVGa 7/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Der Arbeitsbereich eines Beschäftigten wird räumlich-funktional definiert. Danach sind Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers, die Art seiner Tätigkeit sowie deren Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes entscheidend. Eine zustimmungspflichtige Versetzung liegt danach vor, wenn es sich um eine erhebliche Änderung der äußeren Umstände handelt, die das Gesamtbild der Tätigkeit prägen. Das ist z. B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer die gleiche Arbeit in einer anderen organisatorischen Einheit erbringen soll.
Heißer Tipp
Die Zuweisung eines Beschäftigten zu einem anderen Betrieb, Nebenbetrieb oder auch zu einem Betriebsteil gilt immer als zustimmungspflichtige Versetzung.
Zustimmungserfordernis schützt vor Amtsverlust durch Versetzung
Für die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates ist es unverzichtbar, dass die unbefangene Amtsausübung der Betriebsratsmitglieder gewährleistet ist. Deshalb schützt § 103 BetrVG die Mandatsträger durch ein Zustimmungserfordernis davor, durch Versetzung ihr Amt zu verlieren. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 103 Abs. 3 BetrVG ist deshalb, dass die Versetzung den Amtsverlust zur Folge hat. Das ist der Fall, wenn der Mandatsträger in einen anderen Betrieb versetzt wird und somit die Betriebszugehörigkeit und Wählbarkeit verliert. Wird ein Arbeitnehmervertreter nicht nur vorübergehend in einen anderen Betrieb versetzt, so endet die Mitgliedschaft im Betriebsrat des alten Betriebs. Ist das Betriebsratsmitglied mit der Versetzung nicht einverstanden, muss der Betriebsrat des abgebenden Betriebs der Versetzung nach § 103 Abs. 3 BetrVG zustimmen.
Wichtiger Hinweis
Der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes muss der Versetzung auch dann zustimmen, wenn das Betriebsratsmitglied mit der eigenen Versetzung einverstanden ist.
Checkliste zum Download
Anhand unserer Checkliste Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes erfahren Sie, welche Anforderungen das Gesetz an die Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes stellt.
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