Schulung über höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG ist für Betriebsrat nicht erforderlich
BAG: Betriebsrat braucht keine Schulung über höchstrichterliche Rechtsprechung
Kenntnisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG gehören nicht zum unverzichtbaren Grundwissen für den Betriebsrat, sodass eine entsprechende Betriebsratsschulung in der Regel nicht erforderlich ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und damit die Pflicht des Arbeitgebers zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zur Teilnahme an einem entsprechenden Betriebsratsseminar verneint.
Der Fall
In einem Unternehmen streiten sich Arbeitgeberin und Betriebsrat über die Frage, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, mehrere Betriebsratsmitglieder für ein Seminar zum Thema "Aktuelle Rechtsprechung am Bundesarbeitsgericht" freizustellen und die Kosten hierfür übernehmen muss. Das Seminar bezieht sich jeweils auf aktuelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Die Entscheidungen, die in den einzelnen Sitzungen besprochen werden, benennt der Veranstalter erst rund acht Wochen vor dem jeweiligen Schulungsbeginn. Der Betriebsrat argumentierte, das Seminar vermittle betriebsverfassungsrechtliche Grundkenntnisse. Ein konkreter Schulungsbedarf jedes einzelnen Betriebsratsmitglieds müsse deshalb nicht dargelegt werden. Die Arbeitgeberin erwiderte, die Betriebsratsmitglieder könnten sich durch die zur Verfügung gestellte Fachpresse über die aktuelle Rechtsprechung informieren. Eine Seminarteilnahme sei somit nicht erforderlich.
Das sagt das Gericht
Die Bundesrichter entschieden den Rechtsstreit zugunsten der Arbeitgeberin. Die Schulungen vermittelten nach der allgemeinen Konzeption der Seminarreihe kein Grundwissen. Kenntnisse der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehörten nicht zum unverzichtbaren Grundwissen der einzelnen Betriebsratsmitglieder im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung, dessen Erforderlichkeit der Betriebsrat nicht näher darlegen müsse. Die Schulungen setzten vielmehr mit Blick auf die Vielfalt der Themen und die vertiefte Beurteilung von Einzelfällen entsprechende Grundkenntnisse voraus, die sie im Sinn einer Spezialisierung intensivierten.
Zwar könne es erforderlich sein, dass sich Betriebsratsmitglieder über die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts informierten. Ob die besonderen Kenntnisse erforderlich im Sinne von § 37 Abs. 6 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) seien, könne aber nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Entscheidend sei die konkrete Situation in Betrieb und Betriebsrat. Gegen die Erforderlichkeit der Seminarveranstaltung könne beispielsweise sprechen, dass das entsandte Betriebsratsmitglied in jüngerer Vergangenheit bereits eine Grundlagenschulung oder ein ähnliches Seminar besucht habe, welches entsprechende Spezialkenntnisse vermittelt hat (BAG, Beschluss vom 18.01.2012, Az.: 7 ABR 73/10).
Fazit
Die Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört nicht zum unverzichtbaren Grundwissen des einzelnen Betriebsratsmitglieds, dessen Erforderlichkeit der Betriebsrat nicht näher darlegen muss. Der Betriebsrat als Gremium muss sich aber sehr wohl über die Entwicklung der Rechtsprechung in den für ihn relevanten Bereichen auf dem Laufenden halten, um seine Aufgaben sachgerecht und verantwortlich wahrnehmen zu können.
Arbeitgeber muss Betriebsratsmitglieder für erforderliche Schulung freistellen
Nach § 37 Abs. 6 i. V. m. § 37 Abs. 2 und § 40 Abs. 1 BetrVG haben Betriebsratsmitglieder einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf den Besuch erforderlicher Schulungen. Daraus ergibt sich für den Arbeitgeber die Pflicht, Betriebsräte für die Teilnahme an derartigen Schulungen unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht sowie von sämtlichen anfallenden Kosten (Schulungskosten, Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten) freizustellen.
Wichtiger Hinweis
Erforderlich ist eine Schulung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn für den Betriebsrat Aufgaben anstehen und seine Mitglieder nicht oder nicht ausreichend über die für die sachgerechte Wahrnehmung dieser Aufgaben notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Erforderlichkeit von Grundwissen muss der Betriebsrat nicht darlegen
Für jedes Betriebsratsmitglied ist es erforderlich nach § 37 Abs. 6 BetrVG, sich Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht, im Arbeitsschutz, in der Arbeitssicherheit sowie im allgemeinen Wirtschaftsrecht durch den Besuch von Schulungen anzueignen. Bei der Prüfung, ob die Teilnahme an einer Schulung erforderlich ist, steht dem Betriebsrat ein eigener Beurteilungsspielraum zu. Es reicht aus, wenn vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten aus gesehen, die Schulung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Betriebsrat für erforderlich angesehen werden durfte.
Wichtiger Hinweis
Der Betriebsrat kann es deshalb im Einzelfall für erforderlich halten, dass sich einzelne Betriebsratsmitglieder in Schulungen für Betriebsräte über die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts informieren. Die Beurteilung der Erforderlichkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dazu gehören vor allem
- die konkreten Seminarinhalte,
- eine mögliche Aufgabenverteilung innerhalb des Betriebsrats,
- eine thematische Spezialisierung einzelner Betriebsratsmitglieder,
- die Zahl der entsandten Betriebsratsmitglieder,
- die Größe des Betriebsrats,
- die letzte Aktualisierung des bereits vorhandenen Wissens sowie
- betriebliche Entwicklungen, die es besonders dringlich erscheinen lassen, die Rechtsprechungskenntnisse in bestimmten Fragen zu aktualisieren.
Kosten für Betriebsratsschulung dürfen nicht aus dem Ruder laufen
Nachdem der Betriebsrat die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Betriebsratsschulung bejaht hat, muss er abwägen, ob die Ausgaben für die Schulung den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Der Betriebsrat ist dafür verantwortlich, dass dem Arbeitgeber keine unnötigen Kosten entstehen.
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