Unklarer Zeitrahmen für Stimmabgabe rechtfertigt Anfechtung einer Betriebsratswahl
Schlampiger Wahlvorstand ermöglicht Anfechtung einer Betriebsratswahl
Legt der Wahlvorstand die Zeit der möglichen Stimmabgabe für eine Betriebsratswahl nicht konkret fest oder hält die Wahlzeit nicht ein, so ist die Anfechtung der Betriebsratswahl zulässig.
Der Fall aus der Praxis
In einem Einzelhandelsunternehmen mit knapp 800 weit verstreuten Filialen wurde in der Zeit vom 08. bis 25.03.2010 ein neuer, gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Nach dem Wahlausschreiben konnten die Stimmen am jeweiligen Wahltag von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr bzw. 13.30 Uhr bis 19.00 Uhr abgegeben werden. Die mobilen Wahlteams waren am Wahltag in den einzelnen Filialen jedoch nur jeweils zweimal für maximal 30 Minuten anwesend. Die Stimmzettel konnten nur in dieser Zeit abgegeben werden. Der Arbeitgeber hielt die Wahl für unwirksam, weil die konkrete Zeit der möglichen Stimmabgabe für die einzelnen Filialen nicht festgelegt war. Er focht die Wahl an.
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Das Gericht hat die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Die Ausübung des Wahlrechts sei unzulässig erschwert worden, weil die mobilen Wahlteams an dem jeweiligen Wahltag nicht während des gesamten angegebenen Zeitrahmens anwesend gewesen seien. Für die Wahlberechtigten sei daher nicht abschätzbar gewesen, wann sie tatsächlich ihre Stimme abgeben konnten. Dies müsse jedoch gewährleistet und für die Wahlberechtigten planbar sein. Werde eine angegebene Wahlzeit nicht eingehalten, so führe dies zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl (LAG Schleswig-Holstein 21.06.2011, Az.: 2 TaBV 41/10).
Nicht jeder ist zur Anfechtung einer Betriebsratswahl berechtigt
Zur Anfechtung einer Betriebsratswahl sind nach § 19 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nur
- drei wahlberechtigte Arbeitnehmer,
- eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder
- der Arbeitgeber
berechtigt.
Nicht jeder Verstoß gegen Wahlgrundsätze oder das Wahlrecht ermöglicht die Anfechtung
Eine Betriebsratswahl kann nach § 19 Abs. 1 BetrVG von den Anfechtungsberechtigten angefochten werden, wenn gegen
- wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlrecht,
- die Wählbarkeit oder
- das Wahlverfahren
verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, das Wahlergebnis wurde durch den Verstoß nicht geändert oder beeinflusst.
Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften muss also geeignet sein, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Dafür ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte.
Wichtiger Hinweis
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei einer Wahlvorschrift dann um eine wesentliche Wahlvorschrift, wenn sie elementare Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthält oder tragende Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts berührt.
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