Nazi-Vergleich rechtfertigt Rauswurf
Vergleicht ein Arbeitnehmer die betrieblichen Verhältnisse und Vorgehensweisen im Betrieb seines Arbeitgebers mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem, so rechtfertigt ein solches Verhalten in der Regel eine fristlose Kündigung.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer war seit mehr als 30 Jahren in einem Unternehmen als Kraftfahrer beschäftigt. 2004 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin. Der Streit landete schließlich vor Gericht. Während der mündlichen Verhandlung bezeichnete der Arbeitnehmer das Gericht als "korrupt" und "schlimmer als die Kommunisten". 2007 trafen sich die Arbeitsvertragsparteien erneut vor Gericht. Dieses Mal wehrte sich der Fahrer mit einer Kündigungsschutzklage gegen seine Entlassung. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht äußerte er in Anwesenheit der Arbeitgeberin: "Die Beklagte lügt wie gedruckt. Wie sie mit Menschen umgeht, da komme ich mir vor wie im Dritten Reich." Einer Aufforderung des Vorsitzenden Richters, den Saal zu verlassen oder sachlich weiter zu verhandeln, folgte der Arbeitnehmer nicht. Die Arbeitgeberin nahm die Äußerung zum Anlass, dem Mitarbeiter erneut fristlos zu kündigen.
Das sagt er Richter
Die Kündigungsschutzklage des Kraftfahrers hatte keinen Erfolg. Das Gericht erklärte die fristlose Kündigung für wirksam. Der Vergleich des Mitarbeiters mit Zuständen "wie im Dritten Reich" stelle einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar, der die Weiterbeschäftigung des Fahrers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für die Arbeitgeberin unzumutbar macht. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers könnten eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) müsse regelmäßig zurücktreten, wenn sich die Äußerungen als Angriff auf die Menschenwürde, als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellten. Nach diesen Grundsätzen sei im Streitfall das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung zu bejahen. Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem stelle eine grobe Beleidigung dar. Gleichzeitig verharmlose er das in der Zeit des Faschismus begangenen Unrecht und verhöhne seine Opfer. Mit einer solchen Äußerung werde regelmäßig unterstellt, dass die Mitarbeiter bei dem Arbeitgeber willfährigen Handlangern unter dem NS-Regime gleichzusetzen seien. Der Mitarbeiter habe auch die Chance vertan, seine Schmähkritik auf Hinweis des Kammervorsitzenden umgehend oder wenigstens später zurückzunehmen. Für die Gesamtabwägung seien ferner auch die Beleidigungen des Gerichts von Bedeutung, die der Mitarbeiter in dem Rechtsstreit 2004 ausgesprochen hatte (Hessisches LAG, Urteil vom 14.09.2010, Az.: 3 Sa 243/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Eine Beleidigung zum Nachteil des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder eines Arbeitskollegen ist grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss mit der Beleidigung jedoch eine erhebliche Ehrverletzung verbunden sein, die Beleidigung muss also grob sein.
Außerordentliche Kündigung und fristlose Kündigung sind zwei Paar Stiefel
Das Gericht spricht in den Urteilsgründen von einer „außerordentlichen fristlosen Kündigung“. Es handelt sich hierbei nicht um einen Schreibfehler. Da die außerordentliche Kündigung in der Regel fristlos erfolgt, wird sie im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff "fristlose Kündigung" gleichgesetzt. Streng genommen ist dies nicht korrekt, denn eine außerordentliche Kündigung und eine fristlose Kündigung sind nicht gleichbedeutend, weil eine außerordentliche Kündigung auch mit einer sogenannten Auslauffrist verbunden sein kann.
Wichtiger Hinweis
Merken Sie sich als Faustformel Folgendes: Grundsätzlich ist jede fristlose Kündigung zugleich auch eine außerordentliche Kündigung. Jedoch ist im Umkehrschluss nicht jede außerordentliche Kündigung auch eine fristlose Kündigung.
Rechtsprechung gibt Richtung vor
Zu der Frage, welche Verfehlungen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, d. h. welche Verhaltensweisen geeignet sind, einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, haben die Gerichte eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt. Die in der betrieblichen Praxis am häufigsten vorkommenden Kündigungsgründe sind:
- strafbare Handlungen zulasten des Arbeitgebers (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Sachbeschädigung, Beleidigung)
- beharrliche Arbeitsverweigerung
- Vortäuschen und Androhen einer Erkrankung
- Nichtanzeige einer Arbeitsunfähigkeit
- Schwarzarbeit (während der Arbeitszeit)
- Verstoß gegen Rauch- oder Alkoholverbot
- Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
- wiederholte Unpünktlichkeit
- Mobbing
- Verrat von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen
- Verbotene Konkurrenztätigkeit
Außerordentliche Kündigung hat weitreichende Konsequenzen
Die außerordentliche fristlose Kündigung ist der Super-GAU für jeden Arbeitnehmer, denn die Folgen sind gravierend:
- sofortiger Eintritt der Erwerbslosigkeit
- Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
- sofortiger Wegfall des Einkommens
- beschädigtes Ansehen
- Probleme bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz
Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben aufgrund dieser weitreichenden, häufig existenzgefährdenden Folgen einer außerordentlichen Kündigung für den betroffenen Arbeitnehmer restriktive Voraussetzungen geschaffen.
Überprüfen Sie mithilfe unserer ausführlichen Checkliste außerordentliche Kündigung, ob diese strengen Voraussetzungen für einen sofortigen Rauswurf erfüllt sind.
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