Kein wichtiger Grund für Jobabsage: Sperrzeit beim Arbeitslosengeld rechtens
Kein wichtiger Grund für Jobabsage: Arbeitslose müssen mit Sperre beim Arbeitslosengeld rechnen
Existiert kein wichtiger Grund nach § 144 SGB III für eine Jobabsage, so muss ein Arbeitsloser nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) mit der Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnen (11 AL 18/11 R). Eine niedrige Vergütung macht die Annahme eines Stellenangebots für Arbeitslose regelmäßig nicht unzumutbar. Dies gilt vor allem dann, wenn das erzielbare Nettoeinkommen das Arbeitslosengeld übersteigt.
Der Fall aus der Praxis
Die Klägerin bezog seit Juli 2002 Arbeitslosenhilfe. Sie erhielt von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Stellenangebot zum 24.10.2002. Beim Vorstellungsgespräch erklärte die Klägerin dem potenziellen Arbeitgeber, dass der angebotene Stundenlohn von 5,37 € zu gering sei und sie deshalb noch das Ergebnis zweier weiterer Bewerbungen abwarten wolle. Daraufhin stellte die BA den Eintritt einer Sperrzeit vom 25.10.2002 bis 16.01.2003 fest und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von insgesamt 825 € zurück.
Die Klägerin wollte nicht zahlen und wehrte sich gegen die Sperrzeitverhängung, indem sie gegen die Entscheidung der BA klagte. Sie argumentierte, dass der Stundenlohn so niedrig gewesen sei, dass die Annahme der Stelle unzumutbar gewesen sei. Im Übrigen sei in ihrem Fall die seit dem 01.01.2003 geltende Neufassung des Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) anwendbar, mit der Folge, dass die Sperrzeit keine zwölf Wochen betragen dürfe. Das Sozialgericht (SG) reduzierte die Sperrzeit auf drei Wochen. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Klage dagegen vollumfänglich ab. Die Klägerin ging in Revision zum Bundessozialgericht (BSG).
Das sagt das Gericht
Ohne Erfolg. Die Bundesrichter bestätigten die Verhängung der Sperrzeit der Vorinstanz. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitslose ohne wichtigen Grund versicherungswidrig verhalten habe. Ein versicherungswidriges Verhalten liege u. a. vor, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der BA angebotene Beschäftigung nicht annehme. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Klägerin sei darüber belehrt worden, dass bei Nichtannahme der angebotenen Beschäftigung ohne wichtigen Grund eine Sperrzeit eintrete. Dennoch habe sie das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem potenziellen Arbeitgeber verhindert. Die Klägerin könne sich für ihr Verhalten auch nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Die angebotene Arbeit zu einem Stundenlohn von 5,37 € sei ihr zumutbar im Sinne des § 121 SGB III. Insbesondere habe das erzielbare Nettoeinkommen nicht die ihre bewilligte Arbeitslosenhilfe unterschritten (BSG, Urteil vom 02.05.2012, Az.: B 11 AL 18/11 R).
Verhängung einer zwölfwöchigen Sperrzeit beim Arbeitslosengeld war rechtens
Im Übrigen hat die Bundesagentur für Arbeit zu Recht eine Sperrzeit von zwölf Wochen festgestellt. Denn für die Frage, ob die alte oder neue Fassung des SGB III anwendbar ist, kommt es nach Auffassung der Bundesrichter auf das sperrzeitbegründende Ereignis an (hier also die Ablehnung der Stelle im Oktober 2002) und nicht darauf, ob die Sperrzeit bei Inkrafttreten der Neuregelung noch lief. Dementsprechend war im Streitfall die alte Fassung von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III anwendbar. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit des alten Rechts bestehen nicht.
In diesen Fällen droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III während einer Sperrzeit. Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld tritt ein, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dass dafür ein wichtiger Grund gegeben ist. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III vor, wenn
- der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III),
- der bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 1 SGB III) oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III),
- der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III),
- der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen, an einer Maßnahme nach § 46 SGB III oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III),
- der Arbeitslose die Teilnahme an einer in § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III),
- der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III),
- der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III).
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