Querstellen beim Amtsarzt berechtigt zum Rauswurf
Erscheint ein Mitarbeiter unentschuldigt nicht bei einer wirksam angeordneten amtsärztlichen Untersuchung und weigert er sich, die behandelnden Ärzte gegenüber dem Arbeitgeber von der Schweigepflicht zu entbinden, kann dies zu seiner Entlassung führen. Das geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein hervor.
Der Fall aus der Praxis
Ein seit November 2002 in einem Unternehmen beschäftigter Arbeitnehmer war seit November 2006 fortwährend arbeitsunfähig krank. Die Arbeitgeberin bot sowohl im Februar als auch im September 2007 die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements an. Auf beide Schreiben reagierte der Arbeitnehmer jedoch nicht, worauf er im Oktober 2007 zur amtsärztlichen Untersuchung im Hinblick auf seine Dienstfähigkeit aufgefordert wurde. Der Mitarbeiter erschien unentschuldigt nicht zum vereinbarten Untersuchungstermin. Die Arbeitgeberin reagierte mit einer Abmahnung. Der Mitarbeiter widersprach der Abmahnung. Er brachte vor, die Abmahnung sei ihm bereits vor der Einladung zum Untersuchungstermin zugegangen. Deshalb habe er den Untersuchungstermin nicht wahrnehmen können.
Im Dezember 2007 erfolgte eine weitere Einladung zur amtsärztlichen Untersuchung. Diesmal erschien der Arbeitnehmer, weigerte sich jedoch, sich untersuchen zu lassen und die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber zu erklären. Das Arbeitsverhältnis wurde daraufhin verhaltensbedingt ordentlich gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.
Das sagt der Richter
Die Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Einerseits müsse die Intimsphäre des Mitarbeiters gegenüber den Interessen der Arbeitgeberin zurückstehen, wenn ein berechtigtes Bedürfnis auf Information vorliege, ob eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers droht. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Mitarbeiter ein Jahr lang arbeitsunfähig krank gewesen sei, ohne auf die Angebote der Arbeitgeberin zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements reagiert zu haben. Auch die Dauer einer lange währenden Erkrankung sei für eine vorausschauende Personalplanung des Arbeitgebers unerlässlich. Andererseits erfordere eine verhaltensbedingte Kündigung wegen der Verletzung der Mitwirkungspflicht an der amtsärztlichen Untersuchung eine wirksame Abmahnung. Eine solche könne hier nicht angenommen werden, da die Arbeitgeberin den Beweis schuldig geblieben sei, dass der Arbeitnehmer an der ersten amtsärztlichen Untersuchung schuldhaft gefehlt habe. Dessen Vorbringen, das Einladungsschreiben erst nach der Abmahnung und damit erst nach dem Untersuchungstermin erhalten zu haben, habe nicht widerlegt werden können. Allein das Abschicken der Einladung durch die Arbeitgeberin belege noch nicht deren Zugang, sodass zugunsten des Arbeitnehmers habe angenommen werden müssen, dass er nicht schuldhaft dem Untersuchungstermin ferngeblieben sei. Mangels vorwerfbaren Verhaltens sei die Abmahnung aus dem November .2007 somit ins Leeregegangen. Die verhaltensbedingte Kündigung habe nicht ohne einschlägige Abmahnung ausgesprochen werden dürfen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.05.2009, Az.: 5 Sa 458/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Weigert sich ein Mitarbeiter, an einer rechtmäßig angeordneten amtsärztlichen Untersuchung mitzuwirken, stellt dies eine schwere Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflichten dar. Nach erteilter Abmahnung kann dieses Verhalten bei entsprechender Beharrlichkeit sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Zu den Nebenpflichten zählt im Übrigen auch die Schweigepflichtentbindungserklärung.
Expertenrat
Eine Abmahnung gilt als „Gelbe Karte“ im Arbeitsrecht. Sie hat Hinweis-, Ermahnungs- und Warnfunktion. Sie dient dazu, dem Arbeitnehmer die "Rote Karte", also die Entlassung, anzudrohen. Der Mitarbeiter erhält durch die Abmahnung die Chance, sein pflichtwidriges Verhalten künftig zu korrigieren.
Vorsicht
Ein bereits abgemahntes Verhalten kann allein keine Kündigung rechtfertigen. Erst ein gleichartiges Verhalten im Wiederholungsfall kann zur Kündigung berechtigen.
Ermahnen Sie deutlich und ernsthaft und fordern Sie den Mitarbeiter auf, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern oder zu unterlassen. Dem Arbeitnehmer muss ausreichend klar gemacht werden, dass sein Verhalten im Wiederholungsfall zum Verlust seines Arbeitsplatzes führen kann.
Sorgen Sie dafür, dass die Abmahnung auch beim Empfänger ankommt. Ist der betreffende Arbeitnehmer nicht persönlich anwesend, ist ihm die Abmahnung erst wirksam zugegangen, wenn sie in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen ist und er dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.
Wichtiger Hinweis
Der bloße Zugang der Abmahnung ist nicht ausreichend. Vielmehr muss der Arbeitnehmer vom Inhalt des Schreibens Kenntnis erlangen. Dies hat zur Folge, dass Sie im Streitfall sowohl den Zugang als auch die Kenntniserlangung beweisen müssen.
Machen Sie es sich einfach: Die sicherste Art des Beweises ist die persönliche Übergabe.
Anleitung zum Download
Überprüfen Sie anhand unserer Anleitung: In 6 Schritten zur Abmahnung , ob Ihre Abmahnung die Anforderungen erfüllt.
Checkliste zum Download
Mithilfe unserer Checkliste Abmahnung können Sie feststellen, ob eine Pflichtverletzung eines Mitarbeiters abmahnungsfähig ist.
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