Vergütung von Überstunden: Arbeitnehmer muss Mehrarbeit nachweisen
Klage auf Vergütung von Überstunden scheitert am Nachweis der Mehrarbeit
Verlangt ein Arbeitnehmer die Vergütung von Überstunden, so muss er nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz (Az.: 7 Sa 622/10) detailliert darlegen, wann und wie lange er an den jeweiligen Tagen Mehrarbeit geleistet hat. Kommt er seiner Darlegungs- und Beweispflicht nicht nach, ist die Klage als unschlüssig abzuweisen.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer ist in einem Unternehmen, das sich mit der Wartung von Deponie-, Bio- und Klärgasverstromungsanlagen befasst, als Techniker beschäftigt. Er ist laut Arbeitsvertrag im Rahmen seiner Tätigkeit zur Ableistung von Rufbereitschaft verpflichtet. Überstunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden hinausgehen, sollen gemäß dem Arbeitsvertrag mit Freizeit ausgeglichen werden.
Nach seiner betriebsbedingten Kündigung verlangte der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber die Vergütung von 696,5 Überstunden aus der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.10.2009, insgesamt rund 15.000 € brutto. Als sich der Arbeitgeber weigerte, die Forderung zu erfüllen, zog der Mitarbeiter vor Gericht.
Das sagt das Gericht
Ohne Erfolg. Das Gericht hat die Zahlungsklage des Arbeitnehmers abgewiesen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) werde vom Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordere, verlangt, dass er im Einzelnen darlege, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Bestreite der Arbeitgeber die Behauptung des Arbeitnehmers, müsse der Arbeitnehmer darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er jeweils an den fraglichen Tagen ausgeführt hat. Er müsse ferner eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.
Diesen Anforderungen ist der Arbeitnehmer im Streitfall nicht gerecht geworden. Die Ansprüche, die anders als die Forderungen für die Zeit bis 31.12.2006 noch nicht verjährt waren, hätte der Arbeitnehmer einzeln aufschlüsseln müssen. Die Parteien hätten weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Abrede über ein Arbeitszeitkonto getroffen, wie sie der Arbeitnehmer behauptet habe. Sie hätten vielmehr im Arbeitsvertrag eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vereinbart. Sie hätten geregelt, dass Mehrstunden, die anfallen sollten, baldmöglichst in Freizeit auszugleichen seien. Mit dieser Vereinbarung von Freizeitausgleich hätten die Parteien kein flexibles Arbeitszeitmodell mit langfristigen Ausgleichszeiträumen eingerichtet. Allein die Leistung von Überstunden, die nicht laufend vergütet werden, begründe noch nicht die Annahme, die Parteien hätten sich über die Führung eines Arbeitszeitkontos geeinigt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.07.2011, Az.: 7 Sa 622/10).
Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an Klage auf Vergütung von Überstunden
Die Anforderungen an die Darlegungslast des anspruchstellenden Arbeitnehmers im Prozess sind hoch. Wie bereits erwähnt muss der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat (BAG, Urteil vom 22.04.2009, Az.: 4 AZR 100/08). Er muss darlegen, von welcher üblichen Arbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Bestreitet der Arbeitgeber die behaupteten Arbeitszeiten des Mitarbeiters, so muss dieser darlegen, welche geschuldete Tätigkeit er zu welcher Zeit konkret ausgeführt hat. Außerdem müssen die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sein oder müssen zumindest zur Erledigung der geschuldeten Leistung notwendig gewesen sein (BAG, Urteil vom 25.05.2005, Az.: 5 AZR 319/04).
Wichtiger Hinweis
Wenn Überstunden nicht betrieblich erfasst werden, sind die Mitarbeiter angehalten, ihre geleisteten Überstunden selbst zu dokumentieren und zwar nach Tag, Zeit und Anlass. Zu Beweiszwecken sollten die Arbeitnehmer ihre Aufzeichnungen stets am nächsten Tag vom Vorgesetzten unterzeichnen lassen.
Zwischen Überstunden und Mehrarbeit gibt es einen Unterschied
Die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit werden in Gesetzen, Tarifverträgen und auch in der Rechtsprechung bisweilen uneinheitlich verwendet. Zur Unterscheidung können Sie sich folgende Faustregel merken: Wird die regelmäßige betriebliche bzw. vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten, spricht man von Überstunden. Die Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wird hingegen als Mehrarbeit bezeichnet.
Arbeitszeitgesetz gibt Richtung vor
Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers acht Stunden nicht überschreiten. Die Arbeitszeit kann aber auf bis zu zehn Stunden am Tag verlängert werden (maximal 60 Stunden pro Woche bei einer sechs-Tage-Woche), wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich gearbeitet werden.
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet
Beachten Sie, dass Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Regelung nicht verpflichtet sind, Überstunden zu leisten. Voraussetzung für eine entsprechende Pflicht ist das Vorliegen einer individualrechtlichen (Arbeitsvertrag) oder kollektivrechtlichen Regelung (Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung), in der die Voraussetzungen für die Leistung von Überstunden geregelt sind.
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