Tarifvertrag Gebäudereinigung: Reinigungskraft geht bei Leerlauf leer aus
Laut Tarifvertrag Gebäudereinigung geht Reinigungskraft bei Leerlauf leer aus
Eine in der Gebäudereinigung beschäftigte Reinigungskraft hat nach dem geltenden Tarifvertrag keinen Vergütungsanspruch für die Zeit zwischen dem Ende der Reinigung des einen Objekts und dem Beginn der Reinigung im Folgeobjekt (sogenannte arbeitsfreie Zwischenzeit). Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden (Az.: 3 Sa 440/11).
Der Fall aus der Praxis
Die Klägerin ist seit Mitte 2008 als Reinigungskraft bei einem Reinigungsunternehmen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk (RTV) Anwendung. Nach § 4 RTV wird das Tarifentgelt nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit gezahlt. Gemäß 3 RTV beginnt und endet die zu vergütende Arbeitszeit regelmäßig an der Arbeitsstelle. Darüber hinaus gilt nur die zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit aufgewendete Wegezeit als Arbeitszeit. Die Klägerin wird in diversen Objekten eingesetzt. Ihre einzelnen Arbeitseinsätze reihen sich nicht nahtlos aneinander, sodass dazwischen unterschiedlich lange Leerlaufzeiten von bis zu vier Stunden entstehen, die die Klägerin häufig zu Hause verbringt. Der Arbeitgeber vergütet zwar die Fahrtzeiten zwischen den einzelnen Reinigungsobjekten, nicht aber die sonstige arbeitsfreie Zwischenzeit. Dagegen wehrte sich die Klägerin. Sie verlangte von ihrem Arbeitgeber die Vergütung der arbeitsfreien Zwischenzeiten.
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin habe gegen das beklagte Reinigungsunternehmen keinen Anspruch auf Vergütung der arbeitsfreien Zwischenzeiten, so das Gericht. Aus dem Wortlaut der §§ 3,4 RTV sowie aus der Auslegung der Tarifnormen und der dazugehörigen Erläuterung folge, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien neben der reinen Arbeitszeit nur "Wegezeiten", also Fahrtzeiten, und nicht sonstige arbeitsfreie Zwischenzeiten als Arbeitszeit zu vergüten seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin die kaum individuell gestaltbare Zwischenzeit häufig nicht sinnvoll nutzen könne. Denn maßgeblich sei nur der im Wortlaut der Tarifnorm zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien. Zudem sei ein Tarifvertrag immer ein ausgehandeltes Gesamtergebnis, für dessen Erzielung beide Tarifvertragsparteien Kompromisse eingingen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.03.2012, Az.: 3 Sa 440/11).
Wichtiger Hinweis
Der Begriff der Wegezeit ist im Gesetz nicht definiert. In der betrieblichen Praxis ist der Sprachgebrauch uneinheitlich. Gesetzliche Grundlagen, die eine Anrechnung von Wegezeiten auf die Arbeitszeit sowohl im vergütungsrechtlichen, als auch im arbeitsschutzrechtlichen Sinne vorsehen, bestehen nicht.
Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der besagt, dass im betrieblichen Interesse angefallene Wegezeiten stets vergütungspflichtig sind. Insoweit ist auf tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen zurückzugreifen. Fehlen entsprechende Vereinbarungen, so ist eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers auch nach § 612 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) möglich.
§ 612 Vergütung
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
- Kommentieren
- 13906 Aufrufe