Gefährlich – Rückforderung des Gehalts durch den Insolvenzverwalter
Vielen Arbeitnehmern - aber auch Geschäftsführern - ist nicht bekannt, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zahlungen der letzten 3 Monate im Wege der Anfechtung zurückfordern kann. Darunter können in bestimmten Fällen auch Lohnzahlungen fallen. Der Grund dafür liegt in der vor einigen Jahren erfolgten Reform des Insolvenzrechts, nach der der Lohnanspruch der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren den selben Rang wie sonstige Gläubigerforderungen besitzt. Jetzt hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang ein wichtiges Grundsatzurteil gesprochen,
Der Fall aus der Praxis
Es ging hier um die Insolvenz eines Bauunternehmens mit 40 Beschäftigten. Der später verklagte Elektroinstallateur war dort bis August 2004 angestellt. Am 14.10.2004 wurde über das Vermögen des Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet. Bereits ab Spätjahr 2003 befand sich der Schuldner ständig im Zahlungsverzug mit den Löhnen. Ab Mai 2004 war er jedenfalls zahlungsunfähig. Den Restlohn für Februar 2004 und einen Teil des Lohnes für März 2004 zahlte der Schuldner am 14.05.2003 (1.500 €), den Rest für März 2004 und den gesamten Lohn für April erbrachte er am 27.07.2004 (ca. 2.350 €). Anfang Juni 2004 hatte es Pressepublikationen gegeben, die die Arbeitsplätze „u.a. in dem Unternehmen des Schuldners als gefährdet ansahen", weil ein wichtiger Auftraggeber Zahlungen nicht erbringe. Kurz darauf wurde publiziert, es gebe eine „Teillösung". Unmittelbar darauf konnte man der Presse entnehmen, die Arbeitnehmer des Schuldners könnten „aufatmen". Der ständig auf Großbaustellen eingesetzte Beklagte will von guter Auftragslage ausgegangen sein, Material war stets vorhanden, er war der Meinung, es habe „Lieferung auf Rechnung" gegeben und „Neueinstellungen". In wöchentlichen „Arbeitsberatungen" wurde dem Beklagten bekannt, der Schuldner habe beachtliche Rückstände gegenüber den Arbeitnehmern und seine offenen Forderungen beliefen sich auf mehr als 1 Mio. €. Dass er zahlungsunfähig sei, vermittelte der Arbeitgeber indes nicht ausdrücklich. Der Insolvenzverwalter nahm den Installateur auf Rückzahlung der oben dargestellten Beträge unter dem Aspekt der kongruenten Deckung (§§ 130, 143 InsO) in Anspruch
Das sagt der Richter
Die Karlsruher Bundesrichter ließen den Insolvenzverwalter auflaufen. Wisse ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise überfälligen Lohn zahlt, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig sei, rechtfertige diese Kenntnis allein noch nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Habe der Arbeitnehmer keinen Einblick in die Liquiditäts- oder Zahlungslage des Unternehmens, treffe ihn trotz der ihm bekannten Krise auch keine Erkundigungspflicht. Der Insolvenzverwalter besitze im Streitfall keinen insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch (BGH, Urteil vom19.0 2. 2009 - IX ZR 62/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Der BGH machte aber in der Entscheidung noch weitere, für Sie als Arbeitnehmer bedeutsame Anmerkungen. Ein Rückgewähranspruch wird nicht abgelehnt, wenn der Arbeitnehmer beim Lohnbezug positiv Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hat. Er darf auch keine Umstände kennen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hindeuten (§ 130 InsO). Es reiche hier für die laienhafte Kenntnis des allgemein informierten Arbeitnehmers grundsätzlich aus, wenn er weiß, dass sein Arbeitgeber fällige Schulden zu einem wesentlichen Teil nicht erfüllen kann und auch in den nächsten drei Wochen nicht wird erfüllen können. Eine Kenntnis einzelner Tatsachen, die für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit sprechen, genügt allerdings nicht - wenn sie eine Zahlungsunfähigkeit nur befürchten lassen (ungewisse Möglichkeit). Bei Unternehmen, deren drohende Insolvenz nicht bereits Gegenstand der Presseberichterstattung ist, sind die Zahlungseinstellung oder -verschleppung allerdings das entscheidende Indiz für ihre Zahlungsunfähigkeit. Unregelmäßige, verspätete Lohnzahlungen müssten - mangels Einblick in den übrigen Zahlungsverkehr - für den Beschäftigten daher ein Alarmzeichen sein.
Heißer Tipp
Wenn Sie selbst als angestellter Geschäftsführer oder Führungskraft im Falle einer Insolvenz Rückzahlungsforderungen vom Insolvenzverwalter erhalten, sollten Sie in der Regel gelassen bleiben und den Verwalter auf den Rechtsweg verweisen. Insolvenzverwalter sind meist routinierte Profis, die zwischen Aufwand und Ertrag einer Maßnahme sehr genau trennen können und das Risiko bzw. die Kosten eines langwierigen Prozesses bei maximalem Erhalt von 3 Monatsgehältern gut kalkulieren. Hat ein Verwalter allerdings das Bewusstsein, Unternehmer und Arbeitnehmer wirken zulasten der Insolvenzmasse (bspw. durch kurzfristig vor dem Insolvenzantrag vereinbarten Gehaltserhöhungen) zusammen, wird und muss er aktiv werden.
Übersicht zum Download
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