Abwerben von Kunden durch Abschiedsschreiben ist wettbewerbswidrig
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) kann die Angabe von privaten Kontaktdaten im Abschiedsbrief eines Mitarbeiters an Kunden als unerlaubte Kundenabwerbung angesehen werden.
Der Fall aus der Praxis
Ein Steuersachbearbeiter war bei einem Lohnsteuerhilfeverein beschäftigt. Unmittelbar vor seinem Ausscheiden verschickte er ein Rundschreiben an die von ihm betreuten Kunden (Mitglieder des Lohnsteuerhilfevereins), in dem er sich für die Zusammenarbeit bedankte, gleichzeitig aber seine Privatanschrift und seine zukünftige selbstständige Tätigkeit bekannt gab. Er benutzte hierfür das Briefpapier seines Arbeitgebers. Daraufhin kündigten mehr als 200 Kunden die Vereinsmitgliedschaft. Kurz darauf nahm er eine Stelle bei einem konkurrierenden Lohnsteuerhilfeverein an. Damit war sein früherer Arbeitgeber nicht einverstanden. Er war der Meinung, der Mitarbeiter habe in unzulässiger Weise Kunden abgeworben und verklagte ihn deshalb auf Schadenersatz.
Das sagt der Richter
Die Schadenersatzklage hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dem Lohnsteuerhilfeverein Recht. Das Schreiben sei wettbewerbswidrig. Mit dem Hinweis auf das bisherige Vertrauen habe der Mitarbeiter die Kunden dazu angeregt, mit ihm nach dem Wechsel zusammenzuarbeiten. Damit habe er die Adressen des Arbeitgebers zweckwidrig für sein neues Unternehmen genutzt, um noch während des Beschäftigungsverhältnisses Mitglieder abzuwerben (BGH, Urteil vom 22.04.2004, Az.: I ZR 303/01).
Das bedeutet die Entscheidung
Allein das Abwerben eines Kundenstamms bedeutet noch keinen Wettbewerbsverstoß. Es ist insofern Bestandteil des Wettbewerbs und wird erst dann relevant und damit wettbewerbswidrig, wenn besondere Unlauterkeitsumstände gegeben sind. Das ist gerade in Arbeitsverhältnissen häufig der Fall. Aus diesem Grund ergibt sich auch aus § 60 des Handelsgesetzbuchs (HGB) ein ausdrückliches Wettbewerbsverbot für Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber. Wenn der Arbeitsvertrag bereits gekündigt ist, bestehen für den Mitarbeiter Loyalitätspflichten gegenüber dem alten Arbeitgeber. Solche Pflichten können auch noch nach dem Ausscheiden weiterwirken. Das ist besonders dann der Fall, wenn der ausgeschiedene Mitarbeiter eine besondere Vertrauensstellung innehatte und daher auf die Interessen des alten Arbeitgebers noch Rücksicht nehmen muss.
Praxistipp
Handelt es sich um einen langjährigen Mitarbeiter, der aufgrund seiner Vertrauensstellung Zugang zu wertvollem Adressenmaterial hat, so handelt dieser bereits unlauter, wenn er die Adressen noch während seines Arbeitsverhältnisses zweckentfremdet verwendet. Dazu zählt insbesondere auch das Verschicken von vom Arbeitgeber nicht legitimierten Rundschreiben.
Checkliste zum Download
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