Kündigung bei Schwangerschaft: Zustimmung während Elternzeit ersetzt nicht Zustimmung nach dem Mutterschutzgesetz
Kündigung bei Schwangerschaft während Elternzeit – Gericht verlangt doppelte Zustimmung
Treffen Schwangerschaft und Elternzeit zusammen, kann dies den Arbeitgeber vor große Probleme stellen. Denn nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg ersetzt die behördliche Zustimmung zur Kündigung während der Elternzeit nicht die Zustimmung nach den Kündigungsschutzvorschriften aus dem Mutterschutzgesetz. Hat die zuständige Behörde die Kündigung einer schwangeren Mitarbeiterin nicht genehmigt, ist sie unwirksam.
Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz gilt vor und nach der Schwangerschaft
Der Mutterschutz nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) wird hierzulande großgeschrieben. Werdende Mütter genießen nach § 9 MuSchG während und kurz nach der Schwangerschaft einen besonderen Kündigungsschutz.
Wichtiger Hinweis
Während der gesamten Dauer der Schwangerschaft und bis zu vier Monate nach der Geburt darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. Beachten Sie, dass dieses Kündigungsverbot nur dann eingreift, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft weiß oder innerhalb von zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung von der Schwangeren darüber in Kenntnis gesetzt wird.
Während und vor der Elternzeit besteht Kündigungsschutz
Ähnlich wie Schwangere und junge Mütter sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer während der Elternzeit vor Kündigungen geschützt. § 18 BEEG enthält ein Kündigungsverbot für den Arbeitgeber, das unabhängig von der Dauer der Elternzeit gilt. Dem Arbeitgeber ist die Kündigung ab dem Zeitpunkt des Antrags auf Elternzeit, höchstens jedoch ab 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit verboten.
Oberste Arbeitsschutzbehörde kann Kündigungsschutz aushebeln
Das absolute Kündigungsverbot nach § 18 BEEG gilt nur dann nicht, wenn die zuständige oberste Landesbehörde für Arbeitsschutz auf Antrag des Arbeitgebers die Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt, z. B.
- weil der Betrieb oder die Abteilung, in dem der sich in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer normalerweise arbeitet, stillgelegt wird oder
- die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nach der Elternzeit die wirtschaftliche Existenz des Arbeitgebers gefährdet oder
- der Arbeitnehmer schwere Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten begangen hat, sodass dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (Beleidigung des Arbeitgebers oder Diebstahl zulasten des Arbeitgebers).
Der Fall aus der Praxis
Die Klägerin war als Kundenberaterin bei einem Unternehmen beschäftigt, über dessen Vermögen durch Beschluss vom 01.10.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde als Insolvenzverwalter eingesetzt. Die Klägerin war zuletzt während der Elternzeit als Teilzeitkraft mit 30 Wochenstunden beschäftigt. Der Insolvenzverwalter wollte der Arbeitnehmerin betriebsbedingt kündigen. Das Integrationsamt stimmte der beabsichtigten Kündigung der Klägerin mit Bescheid vom 11.05.2010 gemäß § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu. Danach kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 20.05.2010, das die Klägerin am 22.05.2010 erhielt. Mit Schreiben vom 26.05.2010, das dem Insolvenzverwalter einen Tag später zuging, teilte die Klägerin mit, dass sie erneut schwanger sei. Zu diesem Zeitpunkt war sie in der sechsten Woche schwanger, was durch Attest vom 26.05.2010 festgestellt wurde. Die Arbeitnehmerin klagte gegen ihre Kündigung.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Es fehle an der erforderlichen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 9 MuSchG. Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft sei unzulässig gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Darüber hinaus habe vor Ausspruch der Kündigung auch nicht die Zustimmung der obersten Landesbehörde nach § 9 Abs. 3 MuSchG vorgelegen. Der Auffassung des beklagten Insolvenzverwalters, dass die Zustimmung nicht erforderlich sei, weil die oberste Landesbehörde bereits die Zustimmung nach § 18 BEEG erteilt hätte, könne nicht gefolgt werden. Das Bundesarbeitsgericht (Az.: 2 AZR 595/92) habe ausdrücklich festgestellt, dass eine erteilte Zustimmung während der Elternzeit nicht die Zustimmung nach § 9 MuSchG ersetze (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.04.2011, Az.: 15 Sa 2454/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Die Kündigungsverbote nach § 9 MuSchG und § 18 BEEG bestehen nebeneinander, sodass der Arbeitgeber bei Vorliegen von Mutterschaft und zusätzlich Elternzeit für eine Kündigung der Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzbehörde nach beiden Vorschriften bedarf.
Das sagt das Gesetz
§ 18 BEEG Kündigungsschutz
(1) …
In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Zulässigkeitserklärung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle.
…
§ 9 MuSchG Kündigungsverbot
…
(3) Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form und sie muss den zulässigen Kündigungsgrund angeben.
…
Eine Adressenliste der obersten Arbeitsschutzbehörden der Länder finden Sie hier
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