Kündigung wegen Krankheit: Häufige Krankschreibung ist kein Grund für krankheitsbedingte Kündigung
Häufige Krankschreibung rechtfertigt keine krankheitsbedingte Kündigung
Häufige Krankschreibungen allein rechtfertigen keine krankheitsbedingte Kündigung (personenbedingte Kündigung). Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm ist vielmehr entscheidend, ob die Krankschreibungen auch für die Zukunft eine unzumutbare Belastung des Arbeitgebers erwarten lassen. Dies sei nicht der Fall, wenn die zurückliegenden Erkrankungen keine gemeinsame Ursache hatten und damit ein Rückfall unwahrscheinlich sei.
Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 15.500 € veranlassen Arbeitgeber zur Kündigung wegen Krankheit
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer war bei einem Küchenhersteller als Maschinenbediener in der CNC-Fräsabteilung beschäftigt. Zwischen Juni 2006 und August 2009 fehlte der Beschäftigte jeweils zwischen 33 und 103 Arbeitstage im Jahr wegen verschiedener Erkrankungen u. a. wegen Rückenschmerzen, Schilddrüsenproblemen, einer Mandelentzündung, einer Infektion der unteren Atemwege, einer Knieprellung und einer Katzenbissverletzung. Die Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 15.500 € waren dem Arbeitgeber zu hoch, sodass er das Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftigten personenbedingt kündigte. Nach seiner Auffassung sei angesichts der seit 2006 aufgetretenen Ausfallzeiten eine negative Zukunftsprognose gegeben. Erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen resultierten aus Betriebsablaufstörungen und aus den wirtschaftlichen Belastungen durch die übermäßigen Entgeltfortzahlungskosten. Vor diesem Hintergrund sei die krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt. Der gekündigte Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.
Krankheitsbedingte Kündigung nur bei außergewöhnlich hohen Kosten
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei in Fällen einer krankheitsbedingten Kündigung immer eine dreistufige Prüfung vorzunehmen. Zunächst bedürfe es einer negativen Gesundheitsprognose. Aufgrund dieser müsse es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen kommen. Schließlich sei im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob die festgestellten Beeinträchtigungen arbeitgeberseits billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.
Im Streitfall sei bereits das Vorliegen einer negativen Prognose fraglich. Denn bezüglich der aufgeführten Erkrankungen hätten zum Kündigungszeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass bei diesen Krankheitsbildern eine Wiederholungsgefahr bestehe. Die scheitere jedenfalls daran, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend dargelegt habe, wodurch es zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen in Gestalt von Betriebsablaufstörungen und/oder wirtschaftlichen Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten gekommen sei und warum deshalb die gebotene Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers ausgefallen sei.
Bei wirtschaftlichen Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten von mehr als sechs Wochen im Jahr könnten im Rahmen der vorzunehmenden Wertung nur solche Kosten berücksichtigt werden, die auf die auch in Zukunft zu erwartenden, im Rahmen der negativen Gesundheitsprognose ermittelten, Ausfallzeiten entfielen. Kosten für ausgeheilte Erkrankungen müssten außer Betracht bleiben. Laut BAG müssten Kosten außergewöhnlich hoch sein, um die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers unzumutbar zu machen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen (LAG Hamm, Urteil vom 15.04.2011, Az.: 13 Sa 1339/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Ein Arbeitgeber kann eine personenbedingte Kündigung nur dann mit den anfallenden Krankheitszeiten und den daraus resultierenden Entgeltfortzahlungskosten begründen, wenn diese Kosten außergewöhnlich hoch sind.
Checkliste zum Download
Mehr zu den Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung erfahren Sie in unserer Checkliste: Voraussetzungen krankheitsbedingte Kündigung.
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