BAG bestätigt: Kein Kündigungsschutz in Kleinbetrieben
Die sogenannte Kleinbetriebsklausel mutet auf den ersten Blick ungerecht an. Schließlich bewirkt sie, dass Beschäftigte in Kleinbetrieben keinen besonderen Kündigungsschutz genießen, während ihre Kollegen in größeren Betrieben umfassend geschützt sind. Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts ist diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt.
Der Fall aus der Praxis
Ein Beschäftigter war in einem Betrieb seines Arbeitgebers in Hamburg als Hausmeister tätig. Eine weitere Betriebsstätte des Arbeitgebers befindet sich in Leipzig. Am Standort Leipzig waren mindestens acht und in Hamburg sechs Arbeitnehmer beschäftigt. Anfang 2006 setzte der Arbeitgeber in Hamburg den dortigen Betriebsleiter als Geschäftsführer ein. Dieser war befugt, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Im März 2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Hausmeister betriebsbedingt. Dieser erhob Kündigungsschutzklage. Er war der Meinung, dass eine fehlerhafte Sozialauswahl vorliege. Aus seiner Sicht hätte der Arbeitgeber einen 2003 eingestellten Kollegen, der deutlich jünger ist und keinen Unterhaltspflichten unterliegt, kündigen müssen. Der Arbeitgeber entgegnete, dass die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hier überhaupt nicht vorlägen und die Klage deshalb abzuweisen sei. Das Landesarbeitsgericht (LAG) war anderer Auffassung und erklärte das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für anwendbar, weil die Kapitalausstattung des Arbeitgebers nicht gering gewesen sei und sein Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet habe. Der Arbeitgeber legte gegen die Entscheidung Revision ein.
Das sagt der Richter
Die Bundesrichter hoben die Entscheidung auf und wiesen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob der Arbeitgeber dem Hausmeister wirksam gekündigt hat, könne noch nicht getroffen werden. Den Standort Hamburg betreffend sei das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar, weil dort nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt wurden. § 23 Abs. 1 KSchG hat insoweit zwar eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe zur Folge. Darin sei aber kein Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) zu sehen. Diese Ungleichbehandlung sei sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch eine enge persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt seien. Auch wenn ein Arbeitgeber mehrere Kleinbetriebe unterhalte, würde die Anzahl der jeweiligen Arbeitnehmer nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend verselbstständigte Einheiten und deshalb um selbstständige Betriebe handele. Es sei jedoch sicherzustellen, dass damit aus dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht auch Einheiten größerer Unternehmen herausfallen, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs nicht zutreffen. Das Fehlen eines der typischen Merkmale für einen Kleinbetrieb führe aber nicht unweigerlich dazu, dass die Zahlen der Arbeitnehmer sämtlicher Betriebsstätten zu addieren seien. Maßgebend seien vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Nach diesen Grundsätzen sei das LAG zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier beide Betriebsstätten aus verfassungsrechtlichen Gründen auch dann als einheitlicher Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne anzusehen sind, wenn sie organisatorisch selbstständig seien. Ob dies zutreffe, bedürfe weiterer Feststellungen (BAG, Urteil vom 28.10.2010, Az.: 2 AZR 392/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Beschäftigte in Betrieben, in denen in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, genießen nach § 23 Abs. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz (Kleinbetriebsklausel).
Kündigungsschutz erst nach 6 Monaten
Das Kündigungsschutzgesetz kommt zur Anwendung, wenn
- das Arbeitsverhältnis des gekündigten Beschäftigten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung länger als sechs Monate (Wartezeit) besteht und
- in dem Betrieb/Unternehmen des gekündigten Beschäftigten in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (Kleinbetriebsklausel) sind.
Teilzeitbeschäftigte zählen nicht voll
Beachten Sie, dass bei der Bestimmung der Größe des Betriebs bzw. des Unternehmens Teilzeitarbeitnehmer nach § 23 Abs. 4 KSchG nur anteilig berücksichtigt werden. Für Teilzeitbeschäftigte, die
- mehr als 30 Wochenstunden ableisten gilt Faktor 1.
- bis einschließlich 30 Wochenstunden ableisten gilt Faktor 0,75.
- bis einschließlich 20 Wochenstunden ableisten gilt Faktor 0,5.
Wichtiger Hinweis
Das Kündigungsschutzgesetz kommt in Betrieben, in denen Teilzeitbeschäftigte tätig sind, ab einer Beschäftigtenzahl von 10,25 Arbeitnehmern zur Anwendung.
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