Fristlose Eigenkündigung: Arbeitnehmer muss Arbeitgeber abmahnen
Keine fristlose Eigenkündigung ohne vorherige Abmahnung
Was für Arbeitgeber gilt, gilt gleichermaßen für Arbeitnehmer: Wer fristlos kündigt, muss in aller Regel zuvor erfolglos das pflichtwidrige Verhalten des Vertragspartners abgemahnt haben.
D. h. auch die fristlose Eigenkündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Arbeitgebers erfordert zu ihrer Wirksamkeit dessen vorherige vergebliche Abmahnung. Dies ergibt sich aus § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB (siehe „Das sagt das BGB“). Die Abmahnung ist selbst dann nicht entbehrlich, wenn der Arbeitgeber den kündigenden Beschäftigten monatelang zu Überstunden herangezogen hat, die die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes erheblich überschreiten.
Der Fall
Ein Arbeitnehmer war in einem Unternehmen als Finanzbuchhalter beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag konnte das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Am 30.10.2012 teilte der Arbeitnehmer dem Vorstand des Unternehmens schriftlich mit, dass er mit sofortiger Wirkung die Firma verlassen wolle. Sein neuer Arbeitgeber habe sich bereit erklärt, für die nächsten drei Monate eine Zeitarbeitskraft zu seiner Vertretung zu finanzieren. In dem Schreiben heißt es u. a.:
"Ich persönlich kann nicht verstehen warum S. mich zwingend im Unternehmen halten möchte. Sie weiß, dass ich das Arbeitspensum im laufenden Jahr nur durch - inzwischen etwa 750 (!) - Überstunden leisten konnte. Darüber hinaus habe ich sowohl in Krankheit gearbeitet, als auch die Krankheitsfälle meiner Kinder durch meine Frau abfangen lassen."
Nachdem sich die Arbeitgeberin geweigert hatte, dem Wunsch des Beschäftigten nach Freistellung zu entsprechen, kündigte dieser am 31.10.2012 sein Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß. Die Arbeitgeberin klagte gegen die fristlose Kündigung. Aus ihrer Sicht sei sie aufgrund des Fehlens einer vorherigen Abmahnung unwirksam.
Das sagt das Gericht
Das Gericht gab der Klage der Arbeitgeberin statt. Der Arbeitnehmer habe das Arbeitsverhältnis nicht wirksam außerordentlich gekündigt. Die monatelange Heranziehung zur Leistung von Überstunden in einem Umfang, der die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschreite, könne zwar an sich geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer hätte das vertragswidrige Verhalten der Arbeitgeberin vor dem Ausspruch der fristlosen Kündigung jedoch abmahnen müssen. Das Abmahnerfordernis ergebe sich aus dem im Rahmen der Schuldrechtsreform von 2002 in § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB kodifizierten Gebot, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig ist. Dem entspreche, dass die Arbeitsgerichte bereits seit Jahrzehnten darauf bestehen, dass auch der fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers eine vergebliche Abmahnung vorauszugehen habe. Eine solche Abmahnung habe der Beschäftigte hier nicht ausgesprochen. Das Schreiben an den Vorstand vom 30.10.2012 erfülle nicht die Voraussetzungen einer Abmahnung. Der Arbeitnehmer habe nicht einmal ansatzweise aufgezeigt, dass er die Arbeitgeberin vor seinem Rückzug konkret dazu angehalten hätte, die Grenzen seiner Belastbarkeit im Interesse der Aufrechterhaltung der Arbeitsbeziehung zu respektieren und keine weiteren Überstunden mehr anzuordnen. Damit habe er seiner Arbeitgeberin bereits keine Gelegenheit gegeben, den Mangel abzustellen (ArbG Berlin, Urteil vom 04.01.2013, Az.: 28 Ca 16836/12).
Wichtiger Hinweis
Das Erfordernis der Abmahnung gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auch bei einer arbeitnehmerseitigen außerordentlichen Kündigung, es sei denn, die Abmahnung ist wegen besonderer Umstände entbehrlich. Das Recht zur Abmahnung basiert auf dem zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehenden Arbeitsvertrag. Es steht sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer zu. Praktische Relevanz besitzt allerdings fast ausschließlich die Abmahnung durch den Arbeitgeber.
Fristlose Kündigung steht und fällt mit vorheriger Abmahnung
Das Erteilen einer Abmahnung ist grundsätzlich Voraussetzung für die Wirksamkeit einer (außerordentlichen) verhaltensbedingten Kündigung, weil die Kündigung immer nur als letztes Mittel in Betracht kommt, um auf eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten zu reagieren. Bevor es zu einer Kündigung kommt, soll der anderen Vertragspartei mittels der Abmahnung unmissverständlich klargemacht werden, dass und welche Pflichtverletzung er begangen hat und was in Zukunft von ihm erwartet wird.
Alles Wichtige, was Sie ansonsten zum Thema Abmahnung wissen sollten, erfahren Sie in unserem umfassenden Beitrag Ohne Abmahnung keine Kündigung: So ist die Rechtslage.
Das sagt das BGB
§ 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund
(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. § 323 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
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