Kündigung wegen Führerscheinentzug: Keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld für entlassenen Berufskraftfahrer
Kündigung wegen Führerscheinentzug führt nicht zu Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
Hat ein verkehrswidriges Verhalten eines Berufskraftfahrers zunächst den Führerscheinentzug und danach die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zur Folge, so führt dies nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg nur dann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn sich der Berufskraftfahrer grob verkehrswidrig verhalten hat.
Arbeitgeber nimmt Führerscheinentzug zum Anlass für Kündigung
Der Fall aus der Praxis
Ein Berufskraftfahrer hatte seinen Führerschein verloren, weil er auf einer zweispurigen Strecke beim Überholen einen Unfall verursacht hatte. Er hatte einen nachfolgenden Wagen, der bereits zum Überholen angesetzt hatte, übersehen und zum Bremsen gezwungen, sodass das nächste Fahrzeug auf diesen Pkw aufgefahren war.
Auf den Führerscheinentzug folgte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Der Fahrer legte keine Kündigungsschutzklage ein. Er meldete sich arbeitssuchend. Mit Bescheid vom 09.06.2009 stellte die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld für die Zeit vom 09.05. bis zum 31.07.2009 fest. Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Fahrer gegen die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.
Sperrzeit beim Arbeitslosengeld setzt grob fahrlässiges Verhalten voraus
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Das Gericht verurteilte die Bundesagentur für Arbeit, dem Fahrer Arbeitslosengeld bereits ab dem 12.05.2009 zu gewähren. Zwar habe dieser mit seiner Verkehrsstraftat gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Auch müsse der Verkehrsverstoß immer im Einzelfall bewertet werden. Hier sei dem Berufskraftfahrer kein grob fahrlässiges Verhalten wegen des missachteten Überholverbots vorzuwerfen. Es liege nur fahrlässiges Verhalten vor, das keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslöse.
Es fehle an der notwendigen Kausalität zwischen einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten des Fahrers und der Kündigung. Sperrzeitauslösend seien nur verhaltensbedingte Kündigungen, nicht hingegen personenbedingte Kündigungen wegen fehlender Eignung. Entscheidend für eine Sperrzeit sei nicht der Verlust der Fahrerlaubnis, sondern das zu dieser Maßnahme führende Verhalten des Betroffenen. Dem Fahrer sei hier kein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Es sei im Straßenverkehr durchaus üblich, dass in einer Kolonne nach einem Hindernis zunächst das erste der nachfolgenden Fahrzeuge überhole und diese dann in der jeweiligen Reihenfolge nachfolgten, auch wenn dies nicht vorgeschrieben sei. Da er die Arbeitslosigkeit nicht grob Fahrlässig verursacht habe, sei auch die Sperrzeit für das Arbeitslosengeld nicht gerechtfertigt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.06.2011, Az.: L 3 AL 1315/11).
Das bedeutet die Entscheidung
Anders verhält es sich, wenn ein Berufskraftfahrer eine Verkehrsstraftat begeht und dabei Alkohol oder Betäubungsmittel eine Rolle spielen. Das LSG Baden-Württemberg hat in einem anderen Fall entschieden, dass betrunkene Kraftfahrer ihren Führerschein grob fahrlässig aufs Spiel setzen (Az.: L 8 AL 3458/10). Kündigt der Arbeitgeber in einem solchen Fall das Arbeitsverhältnis, ist eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gerechtfertigt.
In diesen Fällen ist die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gerechtfertigt
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III während einer Sperrzeit. Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld tritt ein, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III vor, wenn
- der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III),
- der bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 1 SGB III) oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III),
- der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III),
- der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen, an einer Maßnahme nach § 46 SGB III oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III),
- der Arbeitslose die Teilnahme an einer in § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III),
- der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III),
- der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung; § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III).
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