Betriebsbedingte Kündigung: Altersgruppen bei Sozialauswahl bedeuten keine Altersdiskriminierung
Betriebsbedingte Kündigung - Sozialauswahl nach Altersgruppen ist wirksam
Die betriebsbedingte Kündigung einer Arbeitnehmerin ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wirksam, wenn der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl Altersgruppen bildet. Ein Verstoß gegen das EU-Verbot der Altersdiskriminierung ist hierin nicht zu sehen.
Der Fall aus der Praxis
Ein Unternehmen wollte aus dringenden betrieblichen Gründen Arbeitsplätze abbauen. Die Geschäftsleitung einigte sich mit dem Betriebsrat auf eine Auswahlrichtlinie, die die Bildung von Altersgruppen vorsah. Eine Beschäftigte gehörte danach zu den zu kündigenden Arbeitnehmern. Mit ihrer Kündigungsschutzklage rügte sie die Bildung und den Zuschnitt der Altersgruppen.
Das sagt das Gericht
Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Der Arbeitgeber müsse gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bei Kündigungen aus betrieblichen Gründen zwischen den von ihrer Tätigkeit her vergleichbaren Arbeitnehmern eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten vornehmen. Eines der dabei zu berücksichtigenden Kriterien sei das Alter. Die Regelung ziele darauf ab, ältere Arbeitnehmer bei Kündigungen zu schützen.
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG könne die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur auch innerhalb von Altersgruppen – z. B. der der 21 bis 30 Jahre alten, der der 31 bis 40 Jahre alten Arbeitnehmer usw. – vorgenommen werden. Das Lebensalter sei dann nur im Rahmen der jeweiligen Gruppe von Bedeutung. Der Altersaufbau der Belegschaft bleibe auf diese Weise weitgehend erhalten.
Der gesetzliche Regelungskomplex der Sozialauswahl verstoße nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Er führe zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters. Diese sei aber durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt gerechtfertigt:
- Die Regelungen tragen einerseits den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung.
- Sie wirken zudem andererseits durch die Möglichkeit der Bildung von Altersgruppen der ausschließlich linearen Berücksichtigung des ansteigenden Lebensalters und einer mit ihr einhergehenden Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen.
Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer sicherzustellen, würden damit zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies diene zugleich der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung (BAG, Urteil vom 15.12.2011, Az.: 2 AZR 42/10).
Keine betriebsbedingte Kündigung ohne Sozialauswahl
Eine betriebsbedingte Kündigung ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- das Lebensalter,
- die Unterhaltspflichten und
- die Schwerbehinderung
des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die ordnungsgemäße Sozialauswahl ist also unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung.
Wichtiger Hinweis
Eine betriebsbedingte Kündigung ist trotz des Vorliegens eines Kündigungsgrundes unwirksam, weil sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die gesetzlich vorgeschriebene Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob der Betriebsrat die fehlerhafte Sozialauswahl im Rahmen eines Widerspruchs i. S. d. § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG gerügt hat.
Unersetzbare Leistungsträger sind bei der Sozialauswahl außen vor
Jeder Arbeitgeber ist darauf bedacht, seine besten Arbeitskräfte langfristig im Unternehmen zu haben. Denn wer die Leistungsfähigkeit im Unternehmen sichern will, ist darauf angewiesen, die fähigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb zu behalten. Der Gesetzgeber hilft dabei, indem er die Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl gestattet. D. h. im Zuge einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber nicht jeden Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbeziehen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bleiben diejenigen Beschäftigten verschont, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Leistungen, Fähigkeiten und Kenntnissen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
Welche Voraussetzungen Gesetz und Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, stellen erfahren Sie anhand unserer Checkliste: Betriebsbedingte Kündigung
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