Alkohol am Arbeitsplatz: Kein Versicherungsschutz bei tödlichem Unfall mit 2,2 Promille
Kein Versicherungsschutz bei Unfall infolge Alkohol am Arbeitsplatz
Der Genuss von Alkohol am Arbeitsplatz birgt viele Gefahren – vor allem nach getaner Arbeit auf dem Nachhauseweg. Zwar unterliegen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dieser Versicherungsschutz entfällt jedoch bei absoluter Fahruntüchtigkeit. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 1990 entschieden, dass bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille von absoluter Fahruntüchtigkeit auszugehen ist.
Nach einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 9 U 154/09) hat die Ehefrau eines tödlich verunglückten Arbeitnehmers keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente, wenn dieser zum Zeitpunkt des Unfalls eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,2 Promille aufwies.
Berufsgenossenschaft lehnt Versicherungsschutz ab
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer, der in einer Eisengießerei beschäftigt war, wurde eineinhalb Stunden nach Ende seiner Spätschicht tot im Straßengraben aufgefunden. Eine Blutprobe ergab eine BAK von 2,2 Promille. Die Ehefrau des Arbeitnehmers forderte von der zuständigen Berufsgenossenschaft eine Entschädigung in Form einer Hinterbliebenenrente. Die Berufsgenossenschaft lehnte mit der Begründung ab, dass die absolute Fahruntüchtigkeit die allein wesentliche Unfallursache gewesen sei. Die Witwe entgegnete, dass im Betrieb ihres verstorbenen Mannes Alkoholkonsum während der Arbeit üblich und vom Arbeitgeber toleriert werde. Zudem hätten Vorgesetzte nicht nur mitgetrunken, sondern auch selbst Alkohol mit in den Betrieb gebracht. Sie zog vor Gericht.
Zu viel Alkohol am Arbeitsplatz lässt Versicherungsschutz entfallen
Das sagt das Gericht
Ohne Erfolg. Das Gericht gab der Berufsgenossenschaft recht. Der Arbeitgeber habe seine Fürsorgepflicht nicht verletzt. Arbeitnehmer seien auf dem Weg nach und von dem Ort ihrer Arbeitstätigkeit gesetzlich unfallversichert. Dieser Versicherungsschutz entfalle, wenn der Versicherte absolut fahruntüchtig sei. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum während der Arbeit nicht verhindert habe. Die absolute Fahruntüchtigkeit, die bereits bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille vorliege, sei die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Anhaltspunkte für andere Ursachen (z. B. schlechte Straßenverhältnisse, Fahrzeugmängel, Verschulden Dritter oder Wildwechsel) hätten nicht vorgelegen. Der Unfallversicherungsschutz sei auch nicht aufgrund einer etwaigen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erhalten geblieben. Denn Alkoholmissbrauch stelle eine eigenverantwortliche Schädigung dar. Unterlasse es der Arbeitgeber, diesen während der Arbeitszeit zu unterbinden, führe dies allenfalls zu einer untergeordneten Mitverursachung. Eine maßgebliche Verletzung der Fürsorgepflicht komme nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Alkoholkonsum am Arbeitsplatz geduldet und keinerlei Schutzvorkehrungen gegen das anschließende Benutzen eines Pkw im verkehrsuntüchtigen Zustand getroffen hätte. Im Streitfall habe der Arbeitgeber mit dem erteilten Alkoholverbot, einer entsprechenden Betriebsvereinbarung und dem Bereitstellen alkoholfreier Getränke die gebotenen Schutzmaßnahmen ergriffen (Hessisches LSG, Urteil vom 18.07.2011, Az.: L 9 U 154/09).
Wie bei Kenntnis des Arbeitgebers von einer Alkoholabhängigkeit des Mitarbeiters zu entscheiden gewesen wäre, ließ das Gericht offen, weil hierfür keine Anhaltspunkte vorliegen.
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Wichtiger Hinweis
Die gesetzliche Unfallversicherung ist ein Versicherungszweig der Sozialversicherung. Ihre Rechtsgrundlage ist das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Der Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung besteht darin, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden und bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen.
Diese Personen sind durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt
Vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung sind die folgenden Personen umfasst:
- Arbeitnehmer und Auszubildende
- Fahrgemeinschaften auf dem Weg von und zur Arbeit (auch wenn Umwege erforderlich sind)
- Landwirte
- Kinder in Kindergärten und Kindertagesstätten
- Schüler
- Studenten
- Helfer bei Unglücksfällen
- Zivil- und Katastrophenschutzhelfer
- Blut- und Organspender
Selbstständige, Freiberufler und Unternehmer haben die Möglichkeit, sich und ihre mitarbeitenden Ehegatten freiwillig zu versichern, soweit sie nicht schon kraft Gesetzes oder aufgrund von Satzungsbestimmungen pflichtversichert sind.
Diese Leistungen erbringt die gesetzliche Unfallversicherung
Versicherte bzw. Angehörige haben Anspruch auf:
- Heilbehandlung (Übernahme der Kosten für ärztliche Behandlung, Arznei-, Verband- und Heilmittel sowie für Aufenthalte im Krankenhaus)
- Berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation (Förderung der Arbeitsaufnahme, Fortbildung, Umschulung; während der Maßnahmen wird ein Übergangsgeld gezahlt)
- Leistungen zur sozialen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (Kfz- und Wohnungshilfe, Haushaltshilfe, psychosoziale Betreuung und Rehabilitationssport)
- Pflegegeld (wird im Falle der Pflegebedürftigkeit zusätzlich zur Verletztenrente gezahlt)
- Verletztengeld (während Arbeitsunfähigkeit für maximal 78 Wochen)
- Verletztenrente (wenn Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent oder mehr für mindestens 26 Wochen gemindert wird)
- Rentenabfindung (halbe Rente als Abfindung für zehn Jahre, wenn die Erwerbsfähigkeit um 40 Prozent oder mehr gemindert ist und der Verletzte das 18. Lebensjahr vollendet hat)
- Leistungen bei Tod an Hinterbliebene
- Sterbegeld
- Witwen-/Witwerrente für den hinterbliebenen Ehegatten
- Waisenrente für hinterbliebene Kinder unter 18 Jahren
- Witwen-, Witwer- und Waisenbeihilfe
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