Geheimcode Arbeitszeugnis: Arbeitnehmer interpretiert Zeugnissprache falsch
Zeugnissprache missverstanden - Arbeitnehmer scheitert am Geheimcode Arbeitszeugnis
An der Entschlüsselung des Geheimcode Arbeitszeugnis sind schon unzählige Arbeitnehmer gescheitert. Ein Mitarbeiter, der die Zeugnissprache nicht versteht und deshalb eine Zeugnisformulierung falsch interpretiert, hat nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keinen Zeugnisberichtigungsanspruch.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer war drei Jahre im "SAP Competence Center" eines Unternehmens beschäftigt. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilt der Arbeitgeber ihm ein Arbeitszeugnis, das u. a. folgende Formulierung enthielt:
"Wir haben Herrn … als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennengelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Herr … war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit."
Mit seiner Klage wandte sich der Arbeitnehmer gegen die Formulierung "kennengelernt". Diese Formulierung werde in der Arbeitswelt überwiegend negativ verstanden und bringe verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der jeweiligen Aussage zutreffe. Er habe deshalb einen Zeugnisberichtigungsanspruch gegen den Arbeitgeber.
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht war der Meinung, dass der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber keinen Zeugnisberichtigungsanspruch habe. § 109 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) beinhalte einen Anspruch des Arbeitnehmers auf ein schriftliches Arbeitszeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieses dürfe gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO keine Formulierungen enthalten, die den Zweck hätten, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Gegen diesen Grundsatz der Zeugnisklarheit habe der Arbeitgeber im Streitfall nicht verstoßen. Die Formulierung, der Arbeitgeber habe den Arbeitnehmer "als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennengelernt", erwecke aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, der Arbeitgeber attestiere dem Arbeitnehmer in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation (BAG, Urteil vom 15.11.2011, Az.: 9 AZR 386/10).
Das sagt das Gesetz
§ 109 Zeugnis
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Arbeitnehmer entscheidet über einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis
Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält keine Angaben über Führung und Leistung. Aufgeführt sind ausschließlich die Personalien und die Dauer der Beschäftigung. Die übertragenen Arbeiten müssen exakt aufgegliedert werden. Ein potenzieller zukünftiger Arbeitgeber muss sich anhand der Aufgliederung ein genaues Bild über die Beschäftigung machen können.
Praxis-Tipp
Legt ein Bewerber nur ein einfaches Zeugnis vor, spricht viel dafür, dass entweder die Leistungen mangelhaft waren oder es zu Vorfällen gekommen ist, deren Erwähnung der Bewerber durch seinen Antrag auf ein einfaches Zeugnis vermeiden wollte.
Nur ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist aussagekräftig
In der betrieblichen Praxis beantragen die Arbeitnehmer in der Regel die Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Neben den Personalien und der Dauer der Beschäftigung enthält das qualifizierte Zeugnis eine Beurteilung der Führung und Leistung des Arbeitnehmers. Ein potenzieller Arbeitgeber kann sich nur mithilfe eines qualifizierten Arbeitszeugnisses ein Bild von den Kenntnissen und Fähigkeiten eines Bewerbers machen.
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