Schweigen als Zustimmung – Arbeitgeber unterliegt Hinweispflicht
In „Altfällen“ scheidet eine gegenläufige betriebliche Übung aus, wenn der Arbeitgeber die Mitarbeiter bei der Einstellung von Sonderzahlungen nicht darauf hingewiesen hat, dass das wiederholte Hinnehmen der Nichtleistung als Zustimmung gewertet wird.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitgeber ließ seiner Belegschaft über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren eine Sonderzuwendung zukommen. Im Jahr 2004 stellte der Arbeitgeber die Zahlung dieses Treue- bzw. Jubiläumsgeldes ein. Eine Mitarbeiterin, die seit mehr als 25 Jahren im Betrieb beschäftigt war, forderte vom Arbeitgeber die Auszahlung der Prämie für das Jahr 2008. Nachdem dieser die Forderung abgelehnt hatte, zog die Mitarbeiterin vor Gericht.
Das sagt der Richter
Die Zahlungsklage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts hat die Arbeitnehmerin nach den Grundsätzen einer betrieblichen Übung einen Anspruch auf die Sonderzuwendung für das Jahr 2008. Die betriebliche Übung sei durch die jahrelange vorbehaltslose Zuwendung entstanden und nicht durch die einseitige Nichtmehrgewährung durch den Arbeitgeber ab dem Jahre 2004 wieder beseitigt worden. Eine gegenläufige betriebliche Übung könne nur angenommen werden, wenn der Arbeitgeber bei Einstellung der Zahlungen darauf hingewiesen hätte, dass ein dreimaliges Schweigen als Zustimmung zur Modifikation des Arbeitsvertrags gewertet werde (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.09.2009, Az.: 15 Sa 797/09).
Das bedeutet die Entscheidung
In Anlehnung an die wegweisende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom März vergangenen Jahres (Az: 10 AZR 281/08), mit der die Bundesrichter ihre bisherige Rechtsprechung zur gegenläufigen Übung aufgegeben hatten, wurde dem Arbeitgeber die Berufung auf eine etwaige gegenläufige betriebliche Übung im Eingangsfall versagt.
Mit der bloßen Einstellung der Zahlung ist es nicht mehr getan
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Anfang des Jahres 2002 kann eine (dreimalige) widerspruchslose Hinnahme der Leistungseinstellung auf Arbeitnehmerseite nicht mehr zum Verlust des ursprünglichen Anspruchs führen.
Praxistipp
Stellen Sie als Arbeitgeber eine Sonderzahlung einfach ein, würde ein entsprechendes Schweigen Ihrer Beschäftigten gemäß § 308 Nr. 5 BGB unschädlich sein, denn eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach Schweigen als (fingierte) Willenserklärung gilt, ist unwirksam.
Das gilt für „Altfälle“
Zahlungen, die bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsetzes im Jahr 2002 geleistet wurden – sogenannte „Altfälle“ - könnten unter Vertrauensgesichtspunkten eine andere Wertung beanspruchen. Welche das im Einzelfall sind, hat das Gericht hier offen gelassen. Denn auch für diese Fälle gilt:
Zieht sich die betriebliche Übung über das Jahr 2002 hinaus und stellt der Arbeitgeber erst danach seine Zahlungen ein, muss er etwas unternehmen, um die alten Arbeitsverträge der rechtlichen Situation anzupassen. Das hatte der Arbeitgeber im Eingangsfall schlichtweg vergessen.
Lesen Sie zur Problematik der gegenläufigen betrieblichen Übung auch unseren Beitrag Betriebliche Übung: BAG ändert Rechtsprechung.
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