Stellenbesetzung: Teilzeitbeschäftigte genießen nur bei gleicher Eignung Vorrang
Teilzeitbeschäftigte werden nur bei gleicher Eignung bei der Stellenbesetzung bevorzugt
Hat ein Teilzeitbeschäftigter die Verlängerung seiner Arbeitszeit beantragt, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihn bei der Besetzung einer freien Stelle bevorzugt zu berücksichtigen, wenn er die erforderliche Eignung für den freien Arbeitsplatz besitzt. Dies gilt nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein allerdings nur in der Form und dem Umfang, wie der freie Arbeitsplatz vom Arbeitgeber angeboten wird.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer war seit 2006 als Verwaltungsangestellter mit einem Stundenumfang von 19,75 Stunden in der Woche tätig. Im August 2008 reduzierte er seine Arbeitszeit auf 5,5 Stunden pro Woche und arbeitet seitdem im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses als Schuldnerberater. 2010 beantragte er wiederum die Aufstockung seiner Arbeitszeit auf eine halbe Vollzeitstelle. Der Arbeitgeber lehnte mit der Begründung ab, dass kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.
Im gleichen Zeitraum stellte der Arbeitgeber eine Praktikantin in Vollzeit als Sozialberaterin in der Schuldnerberatung ein. Laut Anforderungsprofil waren ein abgeschlossenes Studium der Sozialpädagogik sowie russische Sprachkenntnisse für die Besetzung dieses Arbeitsplatzes erforderlich.
Der Verwaltungsangestellte war der Ansicht, dass sein Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit hätte vorrangig berücksichtigt werden müssen. Zwischen ihm und der Praktikantin bestehe kein Qualifikationsunterschied. Der Arbeitgeber hätte die Vollzeitstelle teilen können und müssen.
Das sagt das Gericht
Das Gericht entschied gegen den Verwaltungsangestellten. Grundsätzlich sei der Arbeitgeber gemäß § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verpflichtet, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen. Allerdings habe der Teilzeitbeschäftigte nur in der Form und dem Umfang einen Anspruch auf den freien Arbeitsplatz, wie er vom Arbeitgeber angeboten werde. Daran fehle es bereits. Der Beschäftigte habe zuvor lediglich den Wunsch geäußert, in Teilzeit bis zu 19,75 Stunden wöchentlich arbeiten zu wollen. Damit entspreche sein Teilzeitwunsch nicht dem freien Arbeitsplatz, der zu besetzen war. Das nachträgliche Vorbringen, er sei auch bereit, in Vollzeit zu arbeiten, sei insoweit unbeachtlich. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen gleichen Eignung. Aufgrund der Freiheit der unternehmerischen Entscheidung habe der Arbeitgeber das Anforderungsprofil festgelegt. Eine gleiche Eignung liege vor, wenn der Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zum Mitbewerber über insgesamt dieselben persönlichen und fachlichen Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfüge und im bisherigen Berufsleben dieselben Leistungen erbracht habe. Ausweislich des Lebenslaufes des Klägers sei dies hier nicht der Fall. Er verfüge weder über ein abgeschlossenes Hochschulstudium in Sozialpädagogik noch über russische Sprachkenntnisse (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.09.2011, Az.: 3 Sa 71/11).
Teilzeitbeschäftigte sind bei der Stellenbesetzung grundsätzlich privilegiert
Zeigt ein Teilzeitbeschäftigter seinem Arbeitgeber nach § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) an, dass er seine Arbeitszeit verlängern will, so muss ihn der Arbeitgeber bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigen. Nur wenn dringende betriebliche Gründe oder individuelle Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter entgegenstehen, besteht kein Anspruch auf eine privilegierte Behandlung.
Wichtiger Hinweis
Häufiger als eine Verlängerung der Arbeitszeit beantragen die Arbeitnehmer in der betrieblichen Praxis eine Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG. Die Voraussetzungen für eine Verringerung der Arbeitszeit sind dabei strenger als bei einer Verlängerung der Arbeitszeit.
Checkliste zum Download
Welche Anforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, damit ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduzieren kann, erfahren Sie anhand unserer Checkliste.
Checkliste: Arbeitszeitreduzierung
Das sagt das Gesetz
§ 9 Verlängerung der Arbeitszeit
Der Arbeitgeber hat einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.
§ 8 Verringerung der Arbeitszeit
(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird.
(2) Der Arbeitnehmer muss die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend machen. Er soll dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben.
(3) Der Arbeitgeber hat mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Er hat mit dem Arbeitnehmer Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der Arbeitszeit zu erzielen.
(4) Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die Ablehnungsgründe können durch Tarifvertrag festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Ablehnungsgründe vereinbaren.
(5) Die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung schriftlich mitzuteilen. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht nach Absatz 3 Satz 1 über die Verringerung der Arbeitszeit geeinigt und hat der Arbeitgeber die Arbeitszeitverringerung nicht spätestens einen Monat vor deren gewünschtem Beginn schriftlich abgelehnt, verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verteilung der Arbeitszeit kein Einvernehmen nach Absatz 3 Satz 2 erzielt und hat der Arbeitgeber nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit schriftlich abgelehnt, gilt die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt. Der Arbeitgeber kann die nach Satz 3 oder Absatz 3 Satz 2 festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder ändern, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt und der Arbeitgeber die Änderung spätestens einen Monat vorher angekündigt hat.
(6) Der Arbeitnehmer kann eine erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangen, nachdem der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat.
(7) Für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gilt die Voraussetzung, dass der Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.
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