Kein konkreter Tatverdacht - Arbeitgeber bleibt auf Detektivkosten sitzen
Die Überwachung eines Arbeitnehmers durch eine Detektei ist grundsätzlich zulässig. Von einem Detektiv rechtmäßig ermittelte Informationen dürfen in einem Prozess verwertet werden und können etwaige Beweisschwierigkeiten des Arbeitgebers beheben. Über die Frage, wer die mitunter sehr hohen Detektivkosten zu tragen hat, kommt es immer wieder zum Streit.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer war bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Im Dezember 2003 teilte er seinem Arbeitgeber mit, dass er das Unternehmen Ende Januar 2004 verlassen werde, um für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Bereits Anfang Januar 2004 entfernte er sämtliche private Gegenstände aus seinem Büro. Der Arbeitgeber erfuhr, dass der Arbeitnehmer in der zweiten Kalenderwoche im Januar einen seiner Kunden außerhalb der üblichen Kundentermine besucht hatte. Daraufhin beauftragte der Arbeitgeber am 14.01.2004 eine anerkannte Detektei. Diese sollte überprüfen, ob der Mitarbeiter möglicherweise eine unzulässige Konkurrenztätigkeit ausübt. Der Privatdetektiv fand (spätestens am 22.01.2004) heraus, dass der Mitarbeiter auf eigene Rechnung Arbeitnehmer vermittelte. Eine Woche später kündigte dieser sein Arbeitsverhältnis zum 29.02.2004. Am 23.01.2004 vergab der Arbeitgeber einen Folgeauftrag an die Privatdetektei. Sie sollte den Arbeitnehmer bis zum 27.02.2004 weiter überwachen, um ihm eine Konkurrenztätigkeit während des laufenden Arbeitsverhältnisses nachzuweisen. In der Folge verlangte der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer den Ersatz der Detektivkosten für den Folgeauftrag. Als dieser sich weigerte, die Kosten in Höhe von rund 40.000 € plus Mehrwertsteuer zu übernehmen, zog der Arbeitgeber vor Gericht.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Die Bundesrichter wiesen die Klage ab. Bei einer vertraglichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers könne der Arbeitgeber von seinem Mitarbeiter grundsätzlich die durch die Beauftragung eines Privatdetektivs entstandenen Kosten ersetzt verlangen. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts die Überwachung eines Arbeitnehmers in Auftrag gibt, der Mitarbeiter einer vorsätzlichen Pflichtverletzung überführt wird und die Aufwendungen für den Detektiveinsatz notwendig sind. Im Streitfall fehle es bereits an der ersten Voraussetzung, nämlich an einem konkreten Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erteilung des Erstauftrages an die Detektei. Die Umstände, dass der Arbeitnehmer die Absicht geäußert hatte, zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln zu wollen, seine Privatsachen aus dem Büro entfernt hatte und einen Kunden zu einem unüblichen Gespräch getroffen hatte, begründeten noch keinen konkreten Verdacht, dass er einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit nachgehe. Insofern habe das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz zutreffend die Erstattung der Kosten für den Ersteinsatz abgelehnt. Während des Überwachungszeitraumes (bis zum 22.01.2004) habe sich der Verdacht gegen den Arbeitnehmer, dass dieser Konkurrenztätigkeit ausführe, bestätigt. Der Folgeauftrag sei daher nicht mehr notwendig gewesen, da die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers bereits erwiesen war. Unter vernünftigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre der Folgeauftrag nicht erteilt worden. Bereits unmittelbar im Anschluss an den Erstauftrag hätte der Arbeitgeber mit verschiedenen Möglichkeiten auf die Arbeitsvertragsverletzung des Arbeitnehmers reagieren können (BAG, Urteil vom 28.10.2010, Az.: 8 AZR 547/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Nur wenn die folgenden drei Voraussetzungen vorliegen, muss ein überwachter Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Detektivkosten erstatten:
- Konkreter Tatverdacht zum Zeitpunkt der Beauftragung
- Überwachter Arbeitnehmer wird einer Pflichtverletzung überführt
- Einsatz des Detektivs war notwendig, um Pflichtverletzung aufzudecken
Praxis-Tipp
Hegen Sie den Verdacht, dass einer Ihrer Mitarbeiter Straftaten zu Ihren Lasten begeht, nebenher schwarz arbeitet, für die Konkurrenz tätig ist oder blaumacht, sollten Sie zunächst sämtliche betrieblichen Informationsquellen (Befragung von Kollegen, Betriebsrat, Vorgesetzten) auszuschöpfen, bevor Sie einen Privatdetektiv beauftragen. Erst wenn sich Ihr Verdacht dahingehend konkretisiert hat, dass ein Mitarbeiter eine bestimmte Pflichtverletzung von hinreichendem Gewicht begangen hat, sind die Anforderungen erfüllt, etwaige Überwachungs- bzw. Ermittlungskosten erstattet zu bekommen.
Wichtiger Hinweis
Tatverdacht ist ein Begriff aus dem Strafverfahrensrecht und bezeichnet den Umstand, dass Organe der Strafverfolgungsbehörden aufgrund bestimmter Anhaltspunkte (Indizien, Beweise) und Schlussfolgerungen annehmen, dass eine Straftat begangen wurde. Es werden dabei die folgenden Verdachtsgrade unterschieden:
- Der Anfangsverdacht beruht auf „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten“ (§ 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung) und ist Voraussetzung, um ein behördliches Ermittlungsverfahren einzuleiten und personenbezogene Daten, die z. B. im Zuge einer polizeilichen Kontrolle erhoben wurden, zu speichern.
- Der hinreichende Tatverdacht bezeichnet eine Verdachtsverdichtung, die Voraussetzung für eine Anklage bei Gericht ist. Er liegt vor, wenn bei vorläufiger Beurteilung der Beweissituation eine spätere Verurteilung wahrscheinlich ist. Die Staatsanwaltschaft erhebt bei Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts in der Regel öffentliche Klage in Form der Anklage oder des Strafbefehls.
- Der dringende Tatverdacht ist Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls mit nachfolgenden freiheitsentziehenden Maßnahmen. Außerdem ist er Voraussetzung für die Untersuchungshaft. Die Voraussetzungen eines dringenden Tatverdachts sind erfüllt, wenn nach dem derzeitigen Ermittlungsstand eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist.
- Kommentieren
- 7568 Aufrufe