Diebstahl am Arbeitsplatz kann Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen
Kündigung ohne Abmahnung kann nach Diebstahl am Arbeitsplatz wirksam sein
Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Keine fristlose Kündigung ohne wirksame Abmahnung. In bestimmten Fällen weicht die Rechtsprechung davon jedoch ab. So auch aktuell das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz. Die Pfälzer Richter haben die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin, die ihrem Arbeitgeber 7.100 € am Arbeitsplatz gestohlen hat, ohne vorherige Abmahnung für wirksam erklärt.
Der Fall aus der Praxis
Eine Arbeitnehmerin war in einem Speditionsunternehmen als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Sie war für die Bareinnahmen der betriebseigenen Tankstelle verantwortlich. Nachdem der Arbeitgeber bemerkte, dass ihm die Beschäftigte 7.100 € gestohlen hatte, kündigte er ihr Arbeitsverhältnis fristlos, ohne zuvor eine Abmahnung erteilt zu haben. Die Beschäftigte wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen ihren Rauswurf. Aus ihrer Sicht hätte der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen müssen. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung sei zwingend unwirksam.
Das sagt das Gericht
Das LAG Rheinland-Pfalz wies mit seinem Urteil die Kündigungsschutzklage der Angestellten ab. Zwar sehe das Bundesarbeitsgericht (BAG) die vorherige Abmahnung im Vergleich zur fristlosen Kündigung als das mildere und damit verhältnismäßigere Mittel an. So hätten die Bundesrichter in der sogenannten Emmely-Entscheidung im Juni 2010 die Kündigung einer Mitarbeiterin, die zwei Pfandbons im Gesamtwert von 1,30 € an sich genommen hatte, mit Hinweis auf die fehlende Abmahnung für unwirksam erklärt (Az.: 2 AZR 541/09).
Bei schwerwiegenden Verstößen müsse der Arbeitgeber auch weiterhin keine vorherige Abmahnung aussprechen. Denn es dürfe unterstellt werden, dass das Vertrauensverhältnis selbst dann auf Dauer zerstört sei, wenn sich der Mitarbeiter künftig korrekt verhalten werde (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.03.2012, Az.: 11 611/11).
Abmahnung zeichnet sich durch Rüge- und Warnfunktion aus
In der arbeitsrechtlichen Praxis kommt es häufig vor, dass außerordentliche Kündigungen am Erfordernis der vorherigen Abmahnung scheitern. Denn wegen der für den betroffenen Beschäftigten gravierenden Folgen eines solchen Rauswurfs ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Ultima-Ratio-Prinzip in der Regel sowohl eine außerordentliche als auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung nur nach Erteilung einer vorherigen Abmahnung wirksam. Die Abmahnung soll dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, sein Fehlverhalten zu ändern und künftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Sie zeichnet sich also vor allem durch ihre Warnfunktion aus.
Wichtiger Hinweis
Mit der Abmahnung rügt der Arbeitgeber die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht durch den Mitarbeiter (Rügefunktion) und droht gleichzeitig die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall der Pflichtverletzung an (Warnfunktion).
Nachhaltig zerstörtes Vertrauensverhältnis macht Abmahnung entbehrlich
In bestimmten Fällen ist die Erteilung einer Abmahnung im Vorfeld einer Kündigung ausnahmsweise entbehrlich. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn es sich um eine schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handelt und für den Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens ohne Weiteres erkennbar war, sodass er mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber keinesfalls rechnen durfte und somit seinen Arbeitsplatz leichtfertig aufs Spiel gesetzt hat. Außerdem entbehrlich ist die Abmahnung, wenn eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers trotz Abmahnung in Zukunft nicht erwartet werden kann.
Ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung nachhaltig erschüttert oder zerstört, kann der Arbeitgeber ebenfalls auf eine Abmahnung verzichten. Dies ist insbesondere bei Straftaten gegen den Arbeitgeber der Fall, z. B. Unterschlagung, Körperverletzung, Betrug, Diebstahl am Arbeitsplatz oder Untreue.
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