Betriebliche Übung: BAG ändert Rechtsprechung
Nichts ist bekanntlich für die Ewigkeit. Doch manche gute Tat wirkt länger nach, als ursprünglich gedacht; insbesondere, wenn es Geld kostet. Wie Sie eine betriebliche Übung wieder loswerden, verdeutlicht eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG).
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitgeber zahlte seinen Mitarbeitern über viele Jahre hinweg Weihnachtsgeld. In den Jahren 2002 bis 2005 erhielten die Betriebsangehörigen die Gratifikation jeweils in drei Raten. Dabei vermerkte der Arbeitgeber auf den Lohnabrechnungen handschriftlich, dass es sich um freiwillige Leistungen handele, die keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen. Im Jahr 2006 zahlte der Arbeitgeber kein Weihnachtsgeld aus. Ein Mitarbeiter war der Meinung, er habe einen Anspruch auf Zahlung des Geldes aus betrieblicher Übung und erhob entsprechend Klage.
Das sagt der Richter
Mit Erfolg. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass der Anspruch des Mitarbeiters auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 nicht durch die Vermerke des Arbeitgebers auf den Lohnabrechnungen aufgehoben worden sei. Durch die vorbehaltslose Zahlung des Weihnachtsgeldes in den Jahren vor 2002 ist eine betriebliche Übung entstanden und damit ein Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld. Zwar könne ein klar und verständlich formulierter Vorbehalt der Freiwilligkeit die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern. Er sei jedoch nicht geeignet, vereinbarte Leistungen durch die Hintertür wieder auszuschließen. Der Vorbehalt widerspreche in einem solchem Fall dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam (BAG, Urteil vom 18.03.2009, Az.: 10 AZR 281/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Die betriebliche Übung ist eine Anspruchsgrundlage des Arbeitsnehmers, die ohne ausdrückliche Vereinbarung zustande kommt. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass der Arbeitgeber eine sogenannte Gratifikation über einen Zeitraum von 3 Jahren vorbehaltslos gewährt.
Nach der bisherigen Rechtsprechung der konnte eine betriebliche Übung neben einer Änderungskündigung durch eine entgegenstehende betriebliche Übung beendet werden.
Vorsicht
Eine Änderungskündigung ist nur dann zu empfehlen, wenn es Ihrem Betrieb wirtschaftlich schlecht geht und die Existenz des Unternehmens insgesamt gefährdet ist. Es müssen also die Stilllegung des Betriebs und die Entlassung von Mitarbeitern drohen.
So werden Sie die betriebliche Übung wieder los
- alte Vorgehensweise
Der Arbeitgeber konnte erklären, die Zahlung der Gratifikation sei eine freiwillige Leistung, auf die zukünftig kein Rechtsanspruch bestehe. Hat der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprochen, war die Sache vom Tisch.
- neue Vorgehensweise
Das BAG hat mit der Entscheidung seine oft kritisierte Rechtsprechung aufgegeben. Kritik hagelt es vor allem deshalb, weil auf Seiten der Arbeitgeber viel Unsicherheit bezüglich der Formulierung des Freiwilligkeitsvorbehalts bestand.
Änderungsangebot muss transparent sein
Erklärt ein Arbeitgeber unmissverständlich, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Weihnachtsgeldzahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, kann nach § 308 Nr. 5 BGB eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme der Zahlung durch den Arbeitnehmer nicht mehr den Verlust des Anspruchs auf das Weihnachtsgeld bewirken.
Expertenrat
Das Transparenzgebot der Vorschrift erfordert, dass Sie nun Ihre Arbeitnehmer bei Beginn der Frist neben der Formulierung des Freiwilligkeitsvorbehalts auf die Bedeutung ihres Schweigens besonders hinweisen.
Nutzen Sie unsere ausführlichen Musterformulierungen: Beseitigung einer betrieblichen Übung, um auf der sicheren Seite zu sein.
Lesen Sie zu dem Thema "Betriebliche Übung" auch unseren Beitrag Schweigen als Zustimmung – Arbeitgeber unterliegt Hinweispflicht.
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