Gewerkschaftswerbung per E-Mail ist zulässig
Gewerkschaften dürfen Arbeitnehmern Nachrichten und Werbung an deren betriebliche E-Mail-Adressen senden, soweit dadurch keine erheblichen Betriebsablaufstörungen auftreten.
Der Fall aus der Praxis
Ein Unternehmen mit über 3000 Mitarbeitern beschloss auf Grundlage einer neuen Standortkonzeption, mehrere Niederlassungen zu schließen und die betroffenen Arbeitnehmer an anderen Standorten einzusetzen. Die zuständige Gewerkschaft nahm dies zum Anlass, mehrere tausend E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der betroffenen Mitarbeiter zu versenden und informierte diese über den gewerkschaftlichen Standpunkt zu den beabsichtigten Maßnahmen. Der Arbeitgeber hielt dieses Vorgehen für unzulässig und zog vor Gericht.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts sei eine tarifzuständige Gewerkschaft berechtigt, sowohl Informationen als auch Werbung an Arbeitnehmer zu senden. Zu diesem Zweck könne sie sich auch der betrieblichen E-Mail- Adressen bedienen. Da die Betätigungsfreiheit einer Gewerkschaft grundgesetzlich geschützt sei, gelte das auch dann, wenn der Arbeitgeber den privaten E-Mail- Verkehr über die Betriebsrechner untersagt habe. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG (Grundgesetz) geschützte Eigentumsrecht des Arbeitgebers und sein von Art. 2 Abs. 1 GG erfasstes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb müssten gegenüber der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit zurücktreten. Dies gelte zumindest, solange der E-Mail-Versand nicht zu nennenswerten Betriebsablaufstörungen oder spürbaren, der Gewerkschaft zuzurechnenden, wirtschaftlichen Belastungen führe (BAG, Urteil vom 20.01.2009, Az.: 1 AZR 515/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Der Marketingsoffensive einer Gewerkschaft über Ihre Firmenrechner können Sie nur dann entgegentreten, wenn es dadurch zu massiven Störungen im Betrieb kommt, die in wirtschaftlicher Hinsicht von Ihnen nicht hingenommen werden müssen. Im Eingangsfall hatte das Unternehmen keine Störungen geltend gemacht, sodass es ihm hier wohl offensichtlich um das Prinzip ging, die beabsichtigten Rationalisierungsmaßnahmen so still wie möglich durchzuführen.
Wägen Sie sorgfältig ab, ob Sie Ihren Mitarbeitern die private Nutzung des Internets und ihrer Dienstadressen gestatten. Denn der Blick in die einschlägigen Nachrichtenplattformen oder die Überprüfung der privaten Mailbox bei Arbeitsbeginn ist mittlerweise Usus unter den Arbeitnehmern. Bedenken Sie aber auch, dass diese Verhaltensweisen nicht zwangsläufig unternehmensschädlich sind. Wie viel für Ihr Unternehmen verträglich ist, müssen Sie selbst entscheiden. Sie bestimmen die Dosis.
Praxistipp
Es ist dringend anzuraten, die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz bereits im Arbeitsvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung zu regeln. Durch klare Vorgaben und Verhaltensregeln wird das Bewusstsein für einzelne Problemfelder sowohl auf Ihrer, als auch auf Arbeitnehmerseite geschärft.
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