Arbeitnehmer haben keinen Rechtsanspruch auf Abfindung
„Verliere ich meinen Job, bekomme ich wenigstens eine satte Abfindung“. So denken viele Arbeitnehmer, denen betriebsbedingt gekündigt wird. Sie machen sich Hoffnungen, im Abfindungspoker mit dem Arbeitgeber einen hohen Betrag für sich herausholen zu können – und werden bisweilen bitter enttäuscht, wenn sie am Ende mit leeren Händen dastehen. Denn das Märchen vom Recht auf eine Abfindung hält sich sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern hartnäckig. In welchen Fällen tatsächlich ein Anspruch auf eine Abfindung besteht, erfahren Sie hier.
Kein Anspruch auf Abfindung
Entgegen der Auffassung vieler gibt es keinen allgemeinen gesetzlichen Rechtsanspruch auf eine Abfindung. Die meisten Beschäftigten sind zwar fest davon überzeugt, dass ihnen bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung zusteht.
Diese Annahme ist jedoch schlichtweg falsch.
Es gibt keine Vorschrift, die im Fall einer betriebsbedingten Kündigung automatisch die Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber vorsieht. Die Abfindungen, die in der Praxis recht häufig bezahlt werden, basieren auf freiwilligen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zuge einer Kündigungsschutzklage.
Wichtiger Hinweis
Als Abfindung wird eine einmalige außerordentliche Zahlung bezeichnet, die ein Beschäftigter von seinem Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten erhält.
Doch auch bei der Abfindung gilt: Keine Regel ohne Ausnahme.
In den folgenden Fällen kommt es zu Abfindungszahlungen:
- Freiwilliger außergerichtlicher oder gerichtlicher Vergleich über die Wirksamkeit einer Kündigung
- Gesetzliche Regelung in § 1a des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)
- Auflösungsurteil durch das Arbeitsgericht wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 KSchG
- Abfindungsvereinbarung ist in einem Tarifvertrag, Sozialplan oder Einzelarbeitsvertrag geregelt
- Gericht spricht Arbeitnehmer einen Anspruch auf Nachteilsausgleich zu
Beachten Sie, dass nur die Punkte 3. bis 5. gegen den Willen des Arbeitgebers durchgesetzt werden können, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Ansonsten muss der Arbeitgeber gewillt sein, eine Abfindung zu zahlen.
Praxis-Tipp
Bei guten Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage ist der Arbeitgeber zumeist dazu bereit, freiwillig eine Abfindung zu zahlen, um dadurch dem finanziellen Risiko einer gerichtlichen Niederlage aus dem Weg zu gehen. In diesem Fall muss er nämlich das Arbeitsentgelt des Beschäftigten für die gesamte Prozessdauer zahlen, während dieser aufgrund der Kündigung überhaupt nicht gearbeitet hat.
§ 1a KSchG gilt erst seit 2004
Seit 2004 gibt es eine gesetzliche Regelung in § 1a KSchG, die einen Abfindungsanspruch bei einer betriebsbedingten Kündigung vorsieht. Doch Vorsicht! Diesen Anspruch gibt es nur, wenn der gekündigte Beschäftigte auf sein Recht verzichtet, die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage anzugreifen.
Die Abfindungsregelung hat die folgenden drei Voraussetzungen:
- Betriebsbedingte Kündigung
- Arbeitgeber bietet bereits im Kündigungsschreiben eine Abfindung für den Fall an, dass der Beschäftigte die Klagefrist verstreichen lässt (Verzicht auf Kündigungsschutzklage)
- Abfindung beläuft sich auf einen halben Brutto-Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (Zeitraum von mehr als sechs Monaten wird auf ein volles Jahr aufgerundet)
Sind diese Anforderungen erfüllt und lässt der Beschäftigte die Klagefrist verstreichen, dann ist der Abfindungsbetrag fällig.
Halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr
Sowohl bei gerichtlichen als auch bei außergerichtlichen Verhandlungen über die Höhe einer Abfindung orientieren sich die Parteien zumeist an der Faustregel: halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung.
Praxisbeispiel
Hat ein Beschäftigter beispielsweise nach 10 Jahren Beschäftigung zuletzt 4.000 € brutto im Monat verdient, beliefe sich eine Abfindung auf rund 20.000 €.
Heißer Tipp
Je erfahrener Ihr Rechtsanwalt ist, desto größer ist sein Verhandlungsgeschick und damit die Chance, dass er eine attraktive Abfindung für Sie aushandelt. Deshalb sollten Sie bei der Suche nach einem Rechtsbeistand sehr sorgfältig vorgehen. Informieren Sie sich bei Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, beim Betriebsrat und bei Freunden und Bekannten. Die besten Anwälte bekommen ihre Mandanten größtenteils über Mundpropaganda.
Sozialabgaben nein – Steuern ja
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lässt sich die Abfindung nicht der Zeit des beendeten Arbeitsverhältnisses zuordnen, sodass eine Abfindung kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellt.
Wichtiger Hinweis
Von einer Abfindung gehen deshalb keine Sozialabgaben ab. Es werden also keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abgezogen.
Allerdings unterliegt die Abfindung der Besteuerung gemäß den Regeln über den Lohnsteuerabzug. Auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat die Zahlung einer Abfindung grundsätzlich keine nachteiligen Auswirkungen.
Vorsicht!
Im Falle einer Abfindungsvereinbarung im Rahmen eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrags besteht die Gefahr einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wegen freiwilliger Arbeitsaufgabe.
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