Mahngebühren der Arbeitsagentur für Hartz IV Empfänger sind unzulässig
Mahngebühren für Hartz IV Empfänger: Bundessozialgericht stoppt Arbeitsagentur
Die Arbeitsagentur hat jahrelang zu Unrecht Mahngebühren von Hartz IV Empfängern kassiert, weil die erforderliche Rechtsgrundlage nicht vorlag. Zu diesem Ergebnis ist das Bundessozialgericht (BSG) in einem aktuellen Urteil gelangt. Der selbstständige Kläger konnte von seinen Erträgen nicht leben, sodass er als sogenannter Aufstocker zusätzlich Hilfe zum Lebensunterhalt, also Hartz IV bezog.
Der Fall aus der Praxis
Ein Selbstständiger bezog zur Sicherung seines Existenzminimums zusätzlich Hartz IV (sog. Aufstocker). Die zuständige Arbeitsagentur forderte von ihm die Zahlung von rund 5.900 €, weil seine Einnahmen zwischen September 2005 und Januar 2007 doch höher ausfielen als zunächst angenommen. Der Selbstständige kam dieser Forderung erst verspätet nach. Aufgrund dieser Verspätung erhob die Arbeitsagentur eine zusätzliche Mahngebühr in Höhe von 29,70 €. Der Aufstocker klagte gegen die Mahngebühr.
Das sagt der Richter
Die Bundessozialrichter gaben dem Selbstständigen recht. Die Erhebung von Mahngebühren seitens der Arbeitsagentur sei ohne gesetzliche Grundlage erfolgte. Denn die beklagte Arbeitsagentur habe dem Kläger gegenüber keine Mahngebühren erheben dürfen. Sie sei sachlich nicht zuständig gewesen. Zuständig wäre vielmehr ausschließlich die seinerzeit mit dem Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende betraute Arbeitsgemeinschaft gewesen. Nach der damals geltenden Rechtslage (vgl. § 44b Abs. 4 SGB II) habe es auch an einer gesetzlichen Grundlage dafür gefehlt, der Arbeitsagentur die Aufgabe des Forderungseinzugs zu übertragen. Erst zum 01.04.2011 habe der Gesetzgeber eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen. Somit könnten die Leistungsempfänger ihre gezahlten Mahngebühren zurückverlangen (BSG, Urteil vom 26.05.2011, Az.: B 14 AS 54/10 R).
Bei verspäteter Rückzahlung setzte die Arbeitsagentur Mahngebühren fest
Hartz IV Empfänger sind gesetzlich dazu verpflichtet, zu viel erhaltene Leistungen zurückzuzahlen. In der Vergangenheit hatten die Jobcenter die Arbeitsagentur in Nürnberg mit der Einziehung dieser Forderungen beauftragt. Kamen betroffene Hartz IV Empfänger bzw. Aufstocker der Aufforderung zur Rückzahlung nicht unmittelbar nach, setzte die Arbeitsagentur Mahngebühren fest.
Hartz IV Empfänger können Mahngebühren von der Arbeitsagentur zurückverlangen
Nach der höchstrichterlichen Entscheidung des Bundessozialgerichts haben Hartz IV Empfänger nun die Möglichkeit, gegen festgesetzte Mahngebühren Widerspruch und Anfechtungsklage zu erheben. Zur Beantwortung der Frage, ob bereits gezahlte Mahngebühren auf dem Rechtsweg zurückverlangt werden können, sollten betroffene Hartz IV Empfänger professionellen Rechtsrat im Rahmen der Beratungshilfe bzw. bei einer öffentlichen Rechtsberatung einholen.
Arbeitsagentur hatte keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Mahngebühren
Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung festgelegt, dass es sich bei der Festsetzung der Mahngebühren um einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X (Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) handelt, für den die Arbeitsagentur sachlich zuständig sein müsste. Für die Übertragung und die Festsetzung der Mahngebühren fehlte es bis April 2011 an einer entsprechenden Rechtsgrundlage, die der Gesetzgeber inzwischen geschaffen hat. Über die Wirksamkeit dieser Rechtsgrundlage hat das Bundessozialgericht vorliegend nicht entschieden.
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