Weiterarbeit unzumutbar – Abfindungsanspruch nach Vertragsauflösung
Kündigen Sie einem Mitarbeiter zu Unrecht, kann dieser die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung verlangen, sollten sich Ihre Vorwürfe als haltlos und ehrverletzend erweisen.
Der Fall aus der Praxis
Einer Altenpflegerin wurde vorgeworfen, dass sie eine schwer erkrankte Bewohnerin eines Seniorenheims leichtfertig durch Anrempeln zu Fall gebracht und sich danach nicht um sie gekümmert habe. Daraufhin wurde ihr fristgerecht gekündigt, obwohl sie bereits seit elf Jahren im Betrieb beschäftigt war. Die Mitarbeiterin wehrte sich gegen die Vorwürfe und erhob Kündigungsschutzklage. Während des Verfahrens relativierte der Arbeitgeber seine Vorwürfe dahingehend, dass die Altenpflegerin die Bewohnerin lediglich gestreift habe. Das Arbeitsgericht (ArbG) gab der Kündigungsschutzklage daraufhin statt. Das Arbeitsverhältnis wurde gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Der Arbeitgeber legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein.
Das sagt das Gericht
Ohne Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts sei die Entscheidung der Vorinstanz, das Beschäftigungsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Regelung des § 9 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) könne das Gericht im Fall einer sozialwidrigen Kündigung das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitnehmers auflösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilen. Voraussetzung hierfür sei, dass dem Mitarbeiter die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei. Die Kündigung im Streitfall sei mangels einer der Kündigung vorausgehenden Abmahnung sozialwidrig. Zwar habe der Arbeitgeber die Vorwürfe der Verantwortungslosigkeit nicht in der ursprünglichen Schwere aufrechterhalten. Es bleibe jedoch der Beigeschmack eines unwahren und ehrverletzenden Vorbehalts, der aufgrund einer Wiederholungsgefahr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Mitarbeiterin unzumutbar mache (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.09.2009, Az.: 2 Sa 105/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Haltlose Behauptungen können ein teures Nachspiel haben. Insbesondere dann, wenn sie für ihren Mitarbeiter so gravierend sind, dass sie eine erhebliche Ehrverletzung darstellen. Selbst wenn Sie der Meinung sind, bestimmte Vorwürfe gegen einen Arbeitnehmer erheben zu können, sollten Sie bei Mitarbeitern, die eine langjährige beanstandungsfreie Zusammenarbeit vorweisen können, dringend darauf achten, vor einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kündigung unwirksam ist. Stellt das Gericht darüber hinaus fest, dass ein weiteres Verweilen im Unternehmen für den Arbeitnehmer die Grenzen der Zumutbarkeit überschreiten würde, müssen Sie eine Abfindung bezahlen.
Wichtiger Hinweis
Früher wurde die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur dann bejaht, wenn die Umstände so gravierend waren, dass sie zugleich einen außerordentlichen Kündigungsgrund für den Mitarbeiter darstellen. Mittlerweile hat das Bundesarbeitsgericht jedoch anerkannt, dass es genügt, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer „zu unerträglichen Bedingungen führt“.
Abfindungshöhe divergiert
Stellt ein Mitarbeiter wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einen Auflösungsantrag, löst Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis in der Regel zum Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist auf und verurteilt den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung. Die Abfindungshöhe wird nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts festgesetzt. Merken Sie sich als Faustregel eine Abfindungshöhe von bis zu 12 Monatsverdiensten, § 10 Abs. 1 KSchG. Sie kann nach § 10 Abs. 2 KSchG aber auch auf 15 oder 18 Monatsverdienste erhöht werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer das 50. bzw. 55. Lebensjahr vollendet hat und sich mindestens 15 bzw. 20 Jahre in dem Arbeitsverhältnis befunden hat.
Praxistipp
Den Auflösungsantrag kann auch der Arbeitgeber stellen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Auch an das Vorliegen dieser Voraussetzung stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen, damit der durch das Kündigungsschutzgesetz bezweckte Bestandsschutz nicht unterlaufen wird.
Checkliste zum Download
In welchen Fällen sonst noch eine Abfindung fällig ist, haben wir Ihnen in unserer Checkliste Abfindungenzusammengefasst.
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