Falschgeld in der Kasse rechtfertigt Rauswurf
Arbeitgeber können sich auch ohne vorherige Abmahnung von einem Mitarbeiter trennen, wenn der dringende Verdacht einer Straftat besteht. Das gilt nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm auch für den Fall, dass sich in der Kasse einer Mitarbeiterin eine nicht unbeträchtliche Menge Falschgeld befindet.
Der Fall aus der Praxis
Einer langjährigen Beschäftigten, die als Kassiererin bei einer städtischen Führerscheinstelle arbeitete, wurde fristlos gekündigt, weil sich bei einer Kassenüberprüfung herausgestellt hatte, dass von 828 Euro, die sich in der Kasse befanden, Scheine im Wert von 650 Euro Falschgeld waren. Die Blüten waren unschwer als schlecht gemachte Nachahmungen zu erkennen. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass die Beschäftigte Geld aus der Kasse gegen Falschgeld ausgetauscht hat. Anders könne nicht erklärt werden, dass von dem Bestand in Höhe von 828 Euro der von der Arbeitnehmerin geführten Kasse 650 Euro Falschgeld gewesen sei. Die Arbeitnehmerin gab an, dass innerhalb der letzten Wochen vor der Kassenprüfung der behördeneigene Kassenautomat häufiger Geldscheine nicht angenommen habe. Sie habe zwei bis dreimal versucht Geldscheine einzuzahlen, was nicht gelungen sei. Da dies ein altbekanntes Problem gewesen sei, habe sie die Scheine "aussortiert" und durch eigene Scheine ersetzt, indem sie zuvor separat gesammelten Geldscheine in Höhe von 650 Euro in die Barkasse gelegt und sich 650 Euro aus der Kasse genommen habe. Sie sei nicht mehr dazu gekommen, dies ihrem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Arbeitgeber mochte dieser Geschichte aber keinen Glauben schenken, sondern war der Auffassung, dass die Mitarbeiterin das Falschgeld bewusst gegen echtes Geld getauscht habe. Die Arbeitnehmerin klagte gegen die ausgesprochene fristlose Verdachtskündigung.
Das sagt der Richter
Ohne Erfolg. Das Gericht bestätigte die fristlose Kündigung. Die Indizien bestätigten den Verdacht des Arbeitgebers. Die dilettantisch gefälschten Geldscheine hätten ihr auffallen müssen. Es sei ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Scheine in Farbe, Form und Papier erhebliche Unterschiede zu echten Geldscheinen aufwiesen. Insbesondere wiege der Umstand schwer, dass das Falschgeld offenbar vom selben Hersteller stamme und deshalb das von der Kassiererin behauptete Ansammeln der automatenuntauglichen Scheine über einen längeren Zeitraum hinweg höchst unglaubwürdig erscheine (LAG Hamm, Urteil vom 26.08.2010, Az.:17 Sa 537/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Kommen im Betrieb Waren oder Geld abhanden, entsteht für den Arbeitgeber zumeist das Problem, dass es an eindeutigen Beweisen für einen schwerwiegenden Pflichtverstoß des unter Verdacht geratenen Arbeitnehmers mangelt. Bestehen aber gravierende Verdachtsmomente, rechtfertigt dieser dringende Tatverdacht eine Kündigung. Weitere Beweise sind dann nicht erforderlich.
Wichtiger Hinweis:
Im Gegensatz zu einem Strafverfahren gilt im Kündigungsverfahren nicht der Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Dies bedeutet, dass es nicht notwendig ist, dass der Arbeitsrichter von der Schuld des verdächtigten Arbeitnehmers überzeugt ist.
Arbeitgeber muss Verdächtigen anhören
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den betreffenden Mitarbeiter vor Ausspruch der Kündigung mit den Verdachtsmomenten zu konfrontieren. Dieses sogenannte Anhörungsverfahren ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung. Denn der Arbeitgeber muss im Rahmen einer Verdachtskündigung immer davon ausgehen, dass der betreffende Arbeitnehmer unschuldig ist.
Vorsicht
Riskieren sie nicht die Unwirksamkeit der Verdachtskündigung, indem sie dem verdächtigen Arbeitnehmer bei einem komplexen Sachverhalt oder bereits länger zurückliegenden Pflichtverstößen keine oder eine zu kurze Frist einräumen, um zu den Vorwürfen Stellung nehmen zu können.
Keine Verdachtskündigung ohne Anhörung des Betriebsrats!
Beachten Sie, dass auch der Betriebsrat anzuhören ist. Dies gilt auch für eine Verdachtskündigung. Eine ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Verdachtskündigung ist unwirksam.
Checkliste zum Download
Die wichtigsten Voraussetzungen einer außerordentlichen Verdachtskündigung haben wir für sie in unsererCheckliste Voraussetzungen Verdachtskündigung zusammengefasst.
Musterformulierung zum Download
Darüber hinaus stellen wir Ihnen ein Muster für eine Verdachtskündigungzur Verfügung.
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