Stress: Erlebt, erkannt, entkräftet
Guter Stress, schlechter Stress?
Für das Gehirn ist jede Überlastung erst einmal gleich: Hormone überfluten den Organismus und treiben ihn zu Höchstleistungen an. Ob man diesen Automatismus als positiv und motivierend oder als negativ und frustrierend empfindet, ist individuell verschieden. Fakt ist, dass eine wochen- oder gar monatelange Überschreitung der eigenen geistigen und körperlichen Grenzen im schlimmsten Fall zu Gesundheitsproblemen führen kann.
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Was genau dazu beiträgt, wie Sie eine gesundheitliche Gefährdung frühzeitig erkennen und was Sie vorsorglich dagegen tun können, erklärt dieser Artikel.
Ursache: Viel Druck, wenig Würdigung
Kennen Sie das "Anforderungs-Kontroll-Modell"? Auch wenn Ihnen dieser Begriff vielleicht nichts sagt, so haben Sie den dahinterstehenden Sachverhalt bestimmt schon einmal erlebt.
Dabei geht es um die Diskrepanz zwischen Anforderungen und Autonomie am Arbeitsplatz, also zwischen dem, was Ihr Chef von Ihnen verlangt, und dem Spielraum, den er Ihnen zur Erfüllung Ihrer Aufgaben gewährt.
Ist das erste deutlich größer als das zweite, erfahren Sie nahezu unweigerlich Stresssymptome, die gemäß Erkenntnissen der IGA (Initiative Gesundheit und Arbeit) direkte oder indirekte Auswirkungen auf Ihre Gesundheit haben können. Häufige Überstunden, ständiges Pendeln oder die berüchtigte Schichtarbeit können diesen Stress genauso steigern wie der Anspruch, in der modernen digitalisierten Arbeitswelt ständig erreichbar zu sein.
Der Chef spielt dabei eine besondere Rolle: Zeigt er auf angemessene Weise Anerkennung für erbrachte Leistungen, trägt er positiv zum psychischen Wohlbefinden seiner Mitarbeiter bei. Speist er seine Angestellten hingegen mit befristeten Verträgen und einem geringen Gehalt ab, erreicht er genau das Gegenteil. Kommt dann auch noch Mobbing oder gar sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz hinzu, kann bald Gefahr im Verzug sein. Wie schnell sich gesundheitliche Folgen zeigen, hängt ganz von Ihrer persönlichen Stresskompetenz ab. So kann eine starke Belastung über wenige Tage hinweg genauso schwere Folgen haben wie monatelanger, konstanter Dauerdruck.
Anzeichen: Erst irritiert, dann krank
Stress ist ein ernstzunehmendes Problem, das sich meist schon früh durch körperliche und psychische Warnsignale ankündigt.
Den Anfang machen oft vollkommen diffuse und vernachlässigbare Beschwerden, die Sie womöglich gar nicht ernst nehmen: negative Gedanken ("Das schaffe ich nie!"), Konzentrationsstörungen oder Albträume werden oft vernachlässigt und ein trockener Mund, ein Kloß im Hals oder ein flaues Magengefühl veranlassen Sie bestimmt nicht dazu, zum Arzt zu gehen. Viel würde das wahrscheinlich eh nicht bringen, denn die meisten typischen Stresssymptome sind so mehrdeutig und die möglichen Ursachen so zahlreich, dass selbst Ärzte oft ratlos sind. Nicht diagnostizierbare "abnorme klinische Laborbefunde" gelten deshalb als eine der häufigsten Diagnosen, die zu Fehlzeiten am Arbeitsplatz führen.
Klarheit herrscht häufig erst, wenn das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Forschungen haben ergeben, dass chronischer Stress eng mit verschiedensten Krankheitsbildern assoziiert werden kann, angefangen bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen bis hin zu Kreislaufschwäche, Bluthochdruck und Herzinfarkt. Dass Nervenkrankheiten und Herzerkrankungen laut CosmosDirekt die Hauptursachen für Berufsunfähigkeit sind, wird von vielen Wissenschaftlern nicht umsonst auf einen beschleunigten Arbeitsalltag zurückgeführt.
Lösung: Hälfte Arbeitnehmer, Hälfte Arbeitgeber
Reagieren sollten Sie keinesfalls erst, wenn bereits ein ausgewachsener Burn-out vorliegt. Damit Sie rechtzeitig gegensteuern können, sollten Sie ein Gespür für sich und Ihren Arbeitsrhythmus bekommen.
Dazu gehört auch, Ihre individuellen Stress-Trigger (zum Beispiel das Klingeln des Handys nach Feierabend) zu kennen und bewusst zu vermeiden. Das Zauberwort lautet: "Nein." Setzen Sie es immer dann ein, wenn Sie keine Kapazitäten mehr frei haben. Können allerdings nur Sie eine bestimmte Aufgabe erledigen, gehen Sie in besonders stressigen Zeiten nach dem 80-20-Prinzip vor, um Ihrem überbordenden Perfektionismus Einhalt zu gebieten.
Da Stress vor allem körperlicher Natur ist, können Sport und Bewegung dabei helfen, den Stresspegel - das heißt die Konzentration an Stresshormonen - zu senken. Nehmen Sie also ruhig einmal die Treppen statt in den Fahrstuhl zu steigen.
Die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz sollte aber auch für den Chef an erster Stelle stehen - schließlich hängt die wirtschaftliche Performance seines Unternehmens von der Leistungsfähigkeit seiner Angestellten ab. Treten im Betrieb vermehrt Krankheitsfälle auf, sollte die dafür mitverantwortliche Führungskraft ihre Management-Fähigkeiten reflektieren: Wie kann ich meine Wertschätzung besser ausdrücken, wie den Workload gerechter delegieren? Fällt ein Angestellter durch zunehmende Gereiztheit auf, wird in letzter Instanz ein Einzelgespräch fällig, um gemeinsam einen Kompromiss zu finden, der den Stresspegel des Mitarbeiters langfristig zu verringern vermag.
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